Süddeutsche Zeitung

Politik in der Sauna:Altherrenschwitze

Lesezeit: 2 min

Nacktheit schaffe echte Gefühle und damit Vertrauen: Der finnische EU-Kommissar Olli Rehn hat die Sauna als Ort für Hintergrundgespräche mit Journalisten für sich entdeckt. Zwar knüpft er damit an die europäische Tradition politischer Sauna-Freundschaften an, hat aber ein Problem: Frauen müssen draußen bleiben. Die warten nun auf Interview-Angebote ohne Körpereinsatz.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Nun ist die Tradition des Saunierens auch im europäischen Raumschiff Brüssel angekommen. Der finnische EU-Kommissar Olli Rehn ist ein großer Fan des Schwitzbades und in diesen Wochen der Griechenland-Rettung ein gefragter Mann. Am Dienstag lud er einige wenige Journalisten in die Sauna ein. Zwei Saunagänge im Keller der Europäischen Kommission: Da gab es vertrauliche Informationen, die nackte Wahrheit über die vergangene Nacht, in der die politischen Eliten Europas mal wieder um Griechenland gerungen hatten. Streng geheim natürlich. Zu Gast: sechs Journalisten, sechs Männer, davon vier Vertreter der Länder, die gar nicht in der Euro-Zone sind, nämlich Großbritannien und die USA.

In der Politik, vor allem in der Entspannungs- oder Friedenspolitik, ist zuweilen eben ganzer Körpereinsatz gefordert. In früheren Jahrhunderten war das vor allem gleichbedeutend damit, Menschen als Kanonenfutter zu opfern, um irgendwann Frieden schließen zu können. Inzwischen hat der Körpereinsatz zivilisiertere Formen angenommen. Die Sauna, das Schwitzbad, hat sich zur Kulisse für politische Abkommen entwickelt. Staats- und Regierungschefs oder sonstige Träger hoher Ämter aus scheinbar gegensätzlichen politischen Lagern machen sich jetzt gern nackig, bevor sie heikle Dinge beratschlagen. Die Idee: nackte Menschen haben reine Gefühle, sie können schlicht nichts mehr verbergen. Das schafft Vertrauen.

Schon Willy Brandt verhandelte in Badehose

Schon die Funktionäre Ostdeutschlands glaubten daran. Ende der 1960er Jahre ließ die damalige Regierung der DDR an der Küste der Ostsee das Strandhotel Fischland errichten, wo in den folgenden Jahren bis zum Fall der Mauer internationale Staatsgäste mit Kommunisten schwitzen durften. Auch die legendäre Freundschaft zwischen dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt und KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew entstand praktisch in Badehosen. Es war im September 1971, als Brandt und Breschnew über die "Neue Ostpolitik" und "Neue Westpolitik" parlierten, und das mehr als 16 Stunden lang. Dass die beiden überhaupt ein Vertrauensverhältnis aufbauen konnten, sei vor allem dem gemeinsamen Bad im Schwarzen Meer zu verdanken, erzählt Egon Bahr. Beim Schwimmen im warmen Wasser vor Jalta sei der Abbau von Feindbildern vorangeschritten.

Die Badehosenfreundschaft fand später ihre Fortsetzung als Saunafreundschaft zwischen Kanzler Helmut Kohl und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin. Im Juli 1993 trafen sie sich zum Saunabesuch am Baikalsee, um sich über den Abzug der russischen Truppen aus Ostdeutschland zu einigen. Auch dort gelang es, die deutsch-russischen Feindbilder direkt im Bad zu bereinigen.

Den EU-Kommissar Rehn aber bringt seine exklusive Sauna-Informationspolitik nun in Bedrängnis. Der Finne hat die alte Lehre nicht befolgt, dass man als Träger eines hohen Amtes die gesamte Öffentlichkeit informieren muss und nicht nur einige wenige, zwangsläufig männliche. Die Journalistinnen, aber auch verärgerte männliche Reporter, warten nun auf adäquate Angebote - ohne ganzen Körpereinsatz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1292178
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.02.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.