Süddeutsche Zeitung

Polemik um Zoo-Restaurant in China:Futtern verboten

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Nilpferd-Haxen und Hirsch-Penisse: Das Restaurant im Pekinger Zoo galt als Geheimtipp für Feinschmecker. Ein Aufschrei im Internet hat nun das Geschäft mit exotischen Tieren zu Fall gebracht.

Henrik Bork, Peking

Was für eine tolle Geschäftsidee, dachte sich der Restaurantbesitzer im Pekinger Zoo, und setzte Nilpferd-Haxen, scharf gewürzte Antilope und Bärentatze süß-sauer auf die Speisekarte. Eine Weile lang war das Etablissement namens "Bin Feng Tang" ein echter Geheimtipp unter Chinas Feinschmeckern. Nun aber hat ein Aufschrei im Internet und der Lokalpresse das Geschäft zu Fall gebracht. Die Kontroverse ist das jüngste Beispiel für die Fortschritte chinesischer Tierschützer.

Zwanzig verschiedene exotische Tiere hatte das Restaurant bis vor einer Woche auf der Karte. Ein typisches Menü begann mit einer Haifischflossensuppe. Dann folgten gedünstete Flusspferd-Zehen, Hirsch-Penisse oder eine leckere Suppe von der Antilope. Auch Känguruhschwänze, Skorpione, Krokodilsteaks und ganze Ameisenvölker wussten die Köche schmackhaft zuzubereiten, je nach Wunsch im Wok gedünstet, frittiert, geschmort, gegrillt oder gekocht, da war man flexibel. Nicht im Preis inbegriffen waren Delikatessen wie "Fötus vom Reh" oder Tigerknochenwein, die extra bezahlt werden mussten.

Doch jetzt kam der Rückschlag. "Erst die Tiere im Käfig anschauen, dann ihre Artgenossen verspeisen, wie fühlt man sich da?" fragte der chinesische Schriftsteller Zheng Yuanjie im Internet. Hunderte von Chinesen stimmten empört in die Debatte ein. Man dürfe die Tiere im Zoo nicht füttern, aber futtern dürfe man sie schon, lautete ein sarkastischer Kommentar. Chinesische Reporter schlichen sich in das Restaurant und beschrieben genüsslich die Speisekarte, den allgemeinen Aufschrei Tag für Tag weiter anstachelnd.

"Unangemessen und unmoralisch"

"Der Zoo ist der Ort, wo wir unseren Kindern beibringen, lieb zu Tieren zu sein. Wie soll das gehen, wenn wir sie aufgegessen haben?" sagte Qin Xiaona, die Präsidentin der Hauptstadtvereinigung für Tierschutz, gegenüber der Zeitung Global Times. Es sei "unangemessen und unmoralisch", wenn ausgerechnet ein Zoo solche Wildgerichte anbiete, kritisierte ein Mitarbeiter der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften.

Die Proteste sind ein Beleg, wie sich die Einstellung der Chinesen zu Tieren allmählich ändert. Früher hingen neben den Käfigen in Chinas Zoos Hinweise, welche Teile der Tiere besonders gut schmecken, oder welche ihrer Organe für die chinesische Medizin geeignet sind. Die meisten dieser Schilder sind schon vor Jahren verschwunden. Nur in der Provinz stößt man noch gelegentlich auf solche Tafeln. Da hängen dann etwa Fischrezepte direkt neben den Aquarien, in denen bunte Bewohner von Korallenriffen hin- und herschwimmen.

Wie in jedem typischen Agrarland wurden Tiere in China früher vor allem wegen ihres Nutz- oder Nährwerts gehalten. Doch der wirtschaftliche Aufschwung und der Wunsch der neuen Mittelklasse nach Haustieren lässt nun beispielsweise die Proteste gegen Hunde- und Katzenfleisch-Restaurants lauter werden. Solche Lokale sind zwar in vielen Teilen des Landes noch immer beliebt, müssen sich aber auch immer häufiger mit Störaktionen von Tierschützern herumschlagen. Und als die Stadt Peking vor einiger Zeit Hunde ab einer bestimmten Größe einfangen lassen wollte, kam es vor dem Tor des Pekinger Zoos zu einer Demonstration.

Den Besitzer des "Bin Feng Tang" hatte der jüngste Aufschrei unvorbereitet getroffen. Seine Speisekarte sei völlig "legal", hatte er sich gegenüber der Global Times noch gewehrt. Seit einigen Tagen aber teilt das Restaurant auf Nachfrage mit, es habe den Verkauf von Delikatessen aus Afrika oder Ozeanien "bis auf Weiteres eingestellt".

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Quelle:
(SZ vom 7.6.2010)
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