Süddeutsche Zeitung

Pikantes Archivbild:Benutzt von den Homo-Ehe-Gegnern

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Ein eigentlich harmloses Foto, das Vater und Mutter mit ihrem Baby zeigt, findet sich plötzlich in einer Kampagne von Homo-Ehe-Gegnern in Irland wieder. Das Paar protestiert.

Von Oliver Klasen

Hätten sie gewusst, dass sie in ganz Irland als Gegner der Homo-Ehe bekannt sein würden, die Bilder wären wohl nie entstanden. Völlig harmlose Fotos waren es, die ein Paar aus England im vergangenen Jahr aufnehmen ließ. Links der Vater, rechts die Mutter, dazwischen das glückliche Baby, das von seinen beiden Eltern jeweils einen Kuss auf die Wange gedrückt bekommt.

Der Fotograf sagte dem Paar, er werde die Fotos an eine Agentur verkaufen, die Archivmaterial für alle möglichen Zwecke bereithält. Die Familie war einverstanden.

Doch jetzt, Monate später, ist das Paar entsetzt. Das Bild, das sie mit ihrem Baby zeigt, ist überall in der Öffentlichkeit zu sehen. Großflächig auf Plakate gedruckt hängt es auf Straßen und Plätzen - im Dienste einer Lobbygruppe, die mit dem Slogan "Mothers and fathers matter" - zu deutsch: Mütter und Väter sind wichtig - wirbt,

Zwar hatte die konservative Gruppe, die sich gegen die Legalisierung der Homo-Ehe richtet, keinen Erfolg - etwa 62 Prozent der Iren votierten am Wochenende für die Verfassungsänderung, mit der gleichgeschlechtliche Ehen in dem Land künftig zugelassen sind. Doch die Gesichter der Kleinfamilie, die vermeintlich für traditionelle Werte steht, kennt trotzdem das ganze Land.

Jetzt hat sich das Paar zu Wort gemeldet, weil es mit dem Kontext, in dem das Bild verwendet wurde, nicht einverstanden ist. "Wir wollen öffentlich betonen, dass wir die Kampagne ablehnen", sagte der Vater der BBC. Das Paar, das aus England stammt, möchte angesichts der brisanten Debatte um die Homo-Ehe lieber anonym bleiben.

"Wir haben keine Rechte und können nichts einklagen"

Juristisch ist an den Bildern nichts auszusetzen. Die Familie hatte der Veröffentlichung explizit zugestimmt. Solche auf Vorrat aufgenommenen Fotos - oft auch "Stock-Material" genannt - sind für Journalisten, Werbeagenturen oder PR-Firmen wichtig, damit nicht bei jeder Gelegenheit für viel Geld und mit hohem Zeitaufwand neue Aufnahmen gemacht werden müssen.

Die Rechtslage ist der Familie wohl auch bewusst. "Das Foto wurde nicht gestohlen. Wir haben keine Rechte daran und wir können deshalb nichts einklagen", sagte der Vater. Auch finanzielle Forderungen sind ausgeschlossen. Geld für die Fotos hatte die Familie damals nicht bekommen und auch nicht eingefordert. Lediglich einige Abzüge durfte sie behalten.

Offenbar hatte das Paar nicht damit gerechnet, dass es mit dem harmlosen Kuss-Foto einmal derart in der Öffentlichkeit stehen würde. "Die Wahrscheinlichkeit, dass das eigene Bild aus den Hunderten und Tausenden von Fotos ausgewählt wird, die in den Archiven verfügbar sind, ist ja ziemlich gering", so der Vater im Gespräch mit der BBC. Wenn überhaupt, dann habe man erwartet, dass das Bild vielleicht einmal in einem kleinen Magazin oder auf einer unbedeutenden Website auftauchen würde.

Das Bild der glücklichen Kleinfamilie wurde übrigens nicht nur von den irischen Homo-Ehe-Gegnern verwendet, sondern auch von einer australischen Rechtsberatung und einem Unternehmen, das Paare bei der künstlichen Befruchtung unterstützt - in beiden Fällen ohne, dass es deshalb Ärger gab. "Wir haben ein paar schöne Bilder bekommen und wir haben ja zugestimmt. Nur diesmal hatten wir eben Pech", sagte der Vater.

Die Geschichte mit dem englischen Paar und der Kampagne gegen die Homo-Ehe erinnert an einen Fall, der kurz vor der Bundestagswahl 2013 bekannt wurde. Auch damals ging es um Stock-Material, und zwar um eine kurze Videosequenz von einer offensichtlich glücklichen Familie, die bei einem Sommerausflug auf dem Fahrrad unterwegs ist. Verwendet wurde die Szene seinerzeit gleich dreimal: Ein finnischer Quarkhersteller bewarb damit eines seiner Produkte. Die FDP wollte mit der Szene ihre familienpolitischen Botschaften illustrieren. Und schließlich - besonders pikant - wurde die Szene auch in einem Wahlwerbespot der NPD verwendet.

So warb die Familie wider Willen für die Ziele der Rechtsextremisten. Das ist wohl noch schlimmer als als Rollenmodell für die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie herhalten zu müssen.

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