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SZ-Kolumne "Bester Dinge":Auf Ratten-Tour

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New Yorker Fremdenführer zeigen, wie aus einer Plage ein Geschäftsmodell entstehen kann: Ratten, einst Symbol für Pest und Unrat, gelten jetzt als Attraktion.

Von Violetta Simon

Wie sehr eine Stadt geplagt ist von ihren Ratten, erkennt man an der Karriere jener, die für deren Beseitigung zuständig sind. New York hat etwa eine Direktorin für Rattenbekämpfung, die früher Kinder unterrichtete. Davon unbeeindruckt bleiben indes die Nager, die den New Yorkern weiterhin zwischen den Beinen herumlaufen.

Kürzlich spazierte ein Tier über den Tresen einer voll besetzten Bar, wie in einem Youtube-Video zu sehen ist. Allein das anschließende Gekreische der Gäste geht einem durch Mark und Bein. Wirklich gruslig ist jedoch die Vorstellung, dass das nur eine von geschätzt zwei Millionen Ratten war, die die Stadt bevölkern.

Andererseits: Grauen, wohldosiert, hat Menschen schon immer fasziniert. Auf Instagram & Co. findet man zahlreiche Videos von Schlafenden in öffentlichen Räumen, denen ein Nager am Bein hochkrabbelt und über den Leib läuft. Jemanden so zu filmen, statt ihn aus der Situation zu erlösen - im Grunde ein Beweis dafür, dass der Mensch die größte Ratte ist.

Diesen Hang zum Voyeurismus machen sich einem Bericht des New Yorker zufolge jetzt die Fremdenführer der Stadt zunutze und setzen auf: Rattentourismus. Damit sich Besucher das Treiben der Nagetiere aus der Nähe ansehen können, werden eigens Zwischenstopps an besonders frequentierten Orten eingeplant. Auch viral verfolgen Hunderttausende nächtliche Ratwatching-Touren per Video, sagt ein Blogger.

Gut, vielleicht ist das Ganze nicht so glamourös wie das Setting in Disneyland, das sie für Ratatouille, den Film über die kochende Ratte aus Paris, errichtet haben. Aber ein bisschen Aufmerksamkeit kann auch einer New Yorker Ratte, die von Pizzaresten lebt, nur recht sein.

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