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Missbrauchsfall Münster:Polizei ermittelt auch gegen Mutter des Zehnjährigen

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Was wusste die Frau über den sexuellen Missbrauch ihres Kindes? Ihr langjähriger Lebensgefährte ist der Hauptverdächtige des Netzwerks.

Im Missbrauchsfall Münster um schweren sexuellen Missbrauch von mindestens drei Jungen ist die Mutter eines zehnjährigen Opfers weiterhin Teil der Ermittlungen. Gegen sie bestehe derzeit aber kein dringender Tatverdacht und die Frau sitze demnach nicht in Untersuchungshaft, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Dienstag.

Der Lebensgefährte der Münsteranerin gilt in dem Fall als Hauptbeschuldigter, sein Stiefsohn als Hauptopfer. Die Ermittler werfen dem 27-jährigen Adrian V. mindestens 15 Taten über den Zeitraum November 2018 bis Mai 2020 vor. Dabei soll er seine Vergewaltigungen gefilmt und fotografiert haben, über das Darknet verbreitete er die Bilder. Die Westfälischen Nachrichten berichteten am Dienstag, dass die Mutter des Zehnjährigen seit 2018 vom Missbrauch ihres Sohnes gewusst habe. Laut WN soll Adrian V. seiner Freundin in einem Belgienurlaub gestanden haben, ihrem Sohn sexuelle Gewalt anzutun.

Adrian V. war 2016 und 2017 in zwei Verfahren vom Jugendschöffengericht Münster zu Bewährungsstrafen wegen der Verbreitung von kinderpornografischem Material verurteilt worden. Seine Auflagen sahen eine Therapie für die von ihm eingestandenen pädophilen Neigungen vor, diese trat Adrian V. auch an. Sein Bewährungshelfer attestierte ihm sogar "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit".

Das Jugendamt der Stadt Münster wurde über die Verfahren informiert, damals lebten Mutter und Stiefsohn noch nicht mit Adrian V. zusammen. Nach Angaben eines Stadtsprechers bewerteten ein Familiengericht und Experten der Kinderschutzambulanz 2015 die Situation des Jungen; sie sahen keine Gefährdungsmomente, die einen Eingriff in das elterliche Sorgerecht gerechtfertigt hätten. Nach mehreren Gesprächen habe die Mutter des Jungen danach jegliche Hilfe vom Jugendamt abgelehnt. Die Stiefoma des Jungen, die 45-jährige Carina V. sitzt wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch in U-Haft. Sie soll von den Taten ihres Sohnes gewusst haben. Die Frau hatte bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin in einer Kita in Münster gearbeitet.

Weitere mögliche Opfer

Am Dienstagmorgen wurde bekannt, dass es womöglich zwei weitere Opfer gibt. Zwei Väter hätten Anzeigen erstattet, dass ihre Söhne ebenfalls unsittlich berührt worden seien, berichtete ein Sprecher der Polizei Münster am Dienstagmorgen.

Die Anzeigen richteten sich nicht gegen den 27 Jahre alten Hauptverdächtigen aus Münster, sondern gegen andere, in dem Fall ebenfalls beschuldigte Männer. Die Kinder seien im gleichen Altersrahmen wie die bisher bekannten drei Opfer - also zwischen fünf und zwölf Jahren. Weitere Einzelheiten nannte der Sprecher zunächst nicht. Bislang gab es in dem am Wochenende öffentlich gewordenen Fall Festnahmen von elf Tatverdächtigen aus mehreren Bundesländern, sieben sind in Untersuchungshaft.

NRW fordert Strafverschärfungen bei Missbrauch

Auch die Politik reagiert auf die Vorfälle: Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat der Bundesregierung vorgeworfen, die seit langem geforderten Strafverschärfungen für Kindesmissbrauch zu verschleppen. "In der Bundesregierung muss diese Entscheidung getroffen werden", sagte Reul am Dienstag in Düsseldorf. "Es geht sehr zäh voran."

In der Innenministerkonferenz (IMK) habe Nordrhein-Westfalen bereits einen Beschluss herbeigeführt, dass der Strafrahmen für Kindesmissbrauch und für die Verbreitung von Kinderpornografie erhöht werden müsse. "Es kann doch nicht sein, dass so etwas behandelt wird wie Ladendiebstahl", so Reul.

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