Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Fehlende Rüsselkompetenz

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Ein Schlammbad mit Elefanten auf Phuket, das könnte ein super Motiv für Instagram sein - hätte die SZ-Autorin beim Fotografieren nicht ein entscheidendes Detail vergessen. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Phuket

Madee ist 60 und hat keine Zähne mehr. Deshalb füttere ich die älteste Bewohnerin der Elefanten-Auffangstation in Phuket mit weichen Minibananen, die sie mit ihrem haarigen Rüssel vorsichtig entgegennimmt. Nach dem Festmahl geht es ins Schlammbad - und zwar sowohl für die Vierbeiner als auch für die Zweibeiner mit ihren Kameras. Madee schmeißt sich mit ihren sechs Tonnen Gewicht seitwärts ins Wasser. Ich beschmiere ihre Artgenossen ehrerbietig mit Matsch, als mich zwei Influencer-Anwärterinnen über meinen Irrtum aufklären: "You need more mud!" Mehr Schlamm auf meinen Körper also, das komme besser an auf Instagram. Also beschmeißen wir uns gegenseitig mit Matsch und knipsen dabei wie wild. Von den unzähligen Bildern lächeln uns schließlich dreckstarrende Menschen entgegen. Nur: Auf keinem einzigen ist ein Elefant zu sehen. Cosima Kopfinger

Mitten in ... Goslar

Goslar, sollte man sich mal ansehen. Die Altstadt gehört zum Weltkulturerbe, ebenso das Erzbergwerk, und ein ehemaliger SPD-Chef wohnt auch dort. Also, nichts wie hin. Was sieht man als Erstes, Zufall oder nicht? Eine Plakette an einer Wand. "Schwiecheldt-Haus" steht drauf, "Stammsitz der Familie von Schwiecheldt" und, Achtung: "Geburts- und Sterbehaus von Dr. Albert Niemann, dem Entdecker des Kokains, 1834 - 1863." Der Entdecker des Kokains, aus Goslar, Niedersachsen. Da reiste man jahrelang durch Lateinamerika und hatte keine Ahnung, ebenso wenig wie wahrscheinlich Pablo Escobar oder El Chapo Guzmán, Könige des weißen Pulvers. In Göttingen soll Niemann den Stoff aus mitgebrachten Kokablättern isoliert haben, er starb später an einer Vergiftung mit Senfgas. Interessante Leute kommen aus Goslar. Peter Burghardt

Mitten in ... München

Wirklich gut zu erkennen ist der alte Mann nicht. Seine Jacke hat die gleiche Farbe wie die Münchner Hauswand, an der er lehnt. Gelb auf Gelb. Auch was er macht, ist auf den ersten Blick unklar. Er unterhält sich mit niemandem, er wartet nicht. Er steht nur da und schaut. Auf einmal tänzelt auf der anderen Straßenseite eine junge Frau in sein Blickfeld. Schwarze Hose, schwarzes Top, weiße Airpods. Sie telefoniert, sie lacht. Ihre Hüften wiegen sich rhythmisch hin und her, um sie herum kreist ein glitzernder Hula-Hoop-Reifen. Der alte Mann schaut regungslos zu ihr rüber, schaut ihr nach, wie sie mit ihrem Reifen die Straße hinunterschwingt. Schwer stößt er sich von der Hauswand ab und wuchtet sich auf einen Gehstock. Nach wenigen, schleppenden Schritten verschwindet er durch die nächste Ladentür, in ein Geschäft für Hörgeräte. Johannes Bauer

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