Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Ein Prosit dem O Tannenbaum

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Ein SZ-Redakteur läuft zur besten Wiesnzeit durch München, als er plötzlich äußerst seltsame Töne vernimmt. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... München

Ganz München lebt derzeit im Moment. Es ist ein goldener September, die Sonne scheint, und jeder hält das fest, was er festhalten kann. Ob es der Wiesnrausch ist, den man selig heimträgt, der Sprung in den See mit Blick auf die Berge oder die lauen Abende, an denen man noch bis in die Nacht draußen rumstehen kann: Nichts deutet in diesen Tagen auf einen bevorstehenden Herbst oder gar Winter hin. Aber halt, was ist das? Durch die geöffnete Balkontür dringt ein Geräusch. Zarte Streicherklänge, mutmaßlich von einem Kind, das Geige übt. Es spielt - Verhören ausgeschlossen - "O du fröhliche". Wir haben die Melodie sofort im Ohr. Kurz danach, als wir in der Abendsonne auf die Straße treten, geht es weiter. "Stille Nacht, heilige Nacht", und zum krönenden Abschluss: "Morgen kommt der Weihnachtsmann". Das Vorspielen, wenn es dann so weit ist, scheint gesichert zu sein. Florian Kaindl

Mitten in ... Kingman

Weil sie überall Verbrecher vermuten, muss man an Tankstellen in den USA immer erst bezahlen, bevor man Sprit bekommt. Aber schon wieder zickt die Kreditkarte von der Problembank mit dem roten S aus München rum. Nutzt man den Funkchip, will sie kein Geld rausrücken. Am schwarzen Streifen durchziehen? Hilft auch nicht. Also doch die Geheimwaffe des Einsteckens einsetzen oder ausnahmsweise das teuer erkaufte Bargeld zücken? Während man noch fummelt und grübelt, kommt die Erlösung in Form eines jungen Mannes vorbei. "Take mine", sagt er, nimm meine. Spricht's und hält seine Kreditkarte ans Lesegerät. Schon sind die 45 Dollar fürs Benzin bezahlt. Man will ihm noch das Bargeld geben, da ist er auch schon weg. Steigt in seinen sechsrädrigen Pick-up und braust davon. Wahrscheinlich hat er sowieso eine Tankrechnung von 1000 Dollar pro Woche. Christina Berndt

Mitten in ... Sarzeau

Festoù-Noz, die abendlichen Dorffeste mit Musik und Tanz, gehören zur Bretagne wie Keksfabriken, Salzbutter und Hortensien. Die Dudelsackspieler dudeln schon, allein: Kaum jemand tanzt. Normalerweise muss nur ein quäkender Ton der Biniou entfleuchen, da hakelt man sich am kleinen Finger unter, bildet einen Kreis und los geht's. Diesmal aber wird nur Schlange gestanden. Tanzen mit leerem Magen geht schlecht, die kulinarische Versorgung aber gestaltet sich schwierig. Die Fritteusen brutzeln, die Crêpe-Eisen qualmen, rotgesichtig eilen die Ehrenamtlichen hin und her. Ist das dieser Übertourismus? Irgendwann der Alarmruf: Der Galette-Teig ist alle! Am Ende wird man 90 Minuten gewartet haben und noch nie hat ein Schälchen kalter Pommes köstlicher geschmeckt. Noch mal anstellen für einen Cidre? Ach, lieber nicht. Annette Zoch

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