Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Frühstück mit Fleischberg

Lesezeit: 2 min

Eine SZ-Redakteurin stellt fest, dass ihr Hotel in Montenegro eher nicht auf Vegetarierinnen ausgerichtet ist. Der Start in den Tag ist trotzdem schön - dank einer besonderen Zutat. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Herceg Novi

Der Frühstücksraum in dem Hotel in Montenegro sieht aus wie das Wohnzimmer einer alten Dame. Die Mitarbeiterin, Typ Mutti, streicht einem über die Schulter und sagt viele Worte auf Montenegrinisch. Man antwortet in allen Sprachen, die man beherrscht, findet keine gemeinsame, nickt. Und bekommt eine Art Orangensaft, Tee, ein Stück Kuchen, einen Korb Weißbrot, Käse, Marmelade, Rührei, Tomate und ganz viel Schinken und Salami. Für eine Person. (Zimmerpreis inklusive Frühstück: 36 Euro.) Am nächsten Tag versucht man zu erklären: vegetarian, no meat. Sie lächelt - und bringt einen großen Teller Schinken. Als man geht, bedeutet sie einem, kurz zu warten, und drückt einem mit einem Lächeln und einem Schulterstreicheln eine Rose in die Hand. Da sieht der Tag gleich besser aus. Völkerverständigung gelungen, Schinken hin oder her. Veronika Wulf

Mitten in ... Seoul

Es regnet, und die Frage ist: Schirm ja oder nein. In den 24-Stunden-Läden des Bezirks Dongdaemun gibt es Schirme für den Schauer zwischendurch, billige Dinger, die man auch mal liegen lassen kann. Aber ist das wirklich Regen? Oder eher ein läppisches Tröpfeln? Also kein Schirm. Am Dongdaemun Design Plaza hat niemand einen. Am Heunginjimun-Tor ändert sich das. Sind das Koreaner aus Zucker? Es nieselt doch bloß. Hinein in den Seonggwak-Park, den Anstieg an der historischen Festungsmauer hinauf. Der Regen wird stärker. Und stärker. Im Naksan-Park kann man von Platzregen reden. Aber hier sind keine Läden, und auf dem Weg zur U-Bahn-Station Hyehwa ist es auch schon egal. Nässe bis auf die Haut. Im Laden beim Hotel kaufe ich einen Schirm. Man muss ja auch mal vorausdenken. Am nächsten Tag scheint die Sonne. Thomas Hahn

Mitten in ... Gaza

Abenddämmerung in Gaza, wieder ist ein Tag geschafft. Bei Sonnenuntergang ruft der Muezzin zum Gebet, und natürlich sind die Moscheen voll hier im Reich der islamistischen Hamas. Doch noch voller ist zu dieser Stunde ein anderer Ort: der Strand. Vollgepackt ist er mit Menschen, Großfamilien haben sich zum Picknick versammelt, fliegende Händler verkaufen Süßigkeiten. Die Kinder können auf hageren Pferden reiten oder auf Kamelen. Väter halten ihre Töchter an der Hand, Mütter rauchen Wasserpfeife. Friedliche Feierabendstimmung im sonst so unfriedlichen Gazastreifen, Lebensfreude allem Elend zum Trotz. Die Welt hat die 2,3 Millionen Menschen, die hier eingeschlossen hinter den hohen Mauern des israelischen Grenzwalls leben, fast vergessen. Am Strand zumindest können sie auch mal die Welt vergessen. Peter Münch

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