Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Strand der Selbstdarstellerinnen

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Eine SZ-Redakteurin wird auf der Insel Antipaxos Zeugin eines Fotoshootings, bei dem Wegschauen ganz und gar unmöglich ist. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Antipaxos

Das Wasser am Voutoumi-Strand schimmert smaragdgrün, dazu die kalkweißen Wände, das gleißende Licht, der knallblaue Himmel. Verliebte halten sich im Seichten im Arm, schnorchelnde Kinder schlagen mit ihren Flossen, Jugendliche machen Köpfer von einem Boot weiter draußen. Moment, aber was geht da neben einem ab? Zwei Frauen stehen an einem Felsbogen, die eine trägt nur ein paar Schnüre und winzige Dreiecke am Körper, die andere hat einen knallroten Bikini und ebensolche Lippen. Haare werden dramatisch in den Nacken geworfen, Wasser wird ins Gesicht gespritzt, das Hohlkreuz durchgedrückt, und dabei wird fortwährend fotografiert. Man will nicht hinstarren, tut es aber doch. Schaut wieder weg. Da schwimmt in gemütlichen Zügen eine ältere Frau an einem vorbei und sagt mit sehr britischem Akzent: "It's hard to concentrate, isn't it?" Mareen Linnartz

Mitten in ... Kiew

Tanzen im Krieg? Wer das Buenavista in Kiew betritt und die ukrainischen Pärchen sieht, die sich an Salsa versuchen, hat diesen Gedanken vielleicht ganz kurz. Man denkt an diese typisch deutschen Debatten, wie kann das sein? Die Meckerer sollten vielleicht mal hören, was Soldaten berichten, die an der Front Schlimmes erlebt haben und zu einer Konferenz nach Kiew gekommen sind. Ob sie das nicht wütend mache, werden sie gefragt, feiernde Menschen hier zu sehen? Tenor: Überhaupt nicht, wir alle brauchen mal eine Auszeit. Hauptsache, man bleibe so geeint. Unter dem Buenavista gibt es extra einen Bunker, die Halbe Bier kostet 100 Hrywnja, 2,50 Euro. Zwischen Gin- und Wodkaflaschen steht ein Buch mit Putins Augenpartie, "Killer in the Kremlin". Punkt 23 Uhr ist Schluss. Sperrstunde. Es werden noch fix Drinks to go bestellt - draußen wird weiter der Moment genossen. Georg Ismar

Mitten in ... New York

Seinen Tag, so hat der New Yorker Bürgermeister Eric Adams kürzlich gesagt, beginne er immer mit dem gleichen Song im Ohrstecker: "New York State of Mind" von Billy Joel. Offenbar ist der Mann nicht allein: 20 000 Menschen ticken gerade im Madison Square Garden aus, bei Billy Joels 138. Konzert. Ausverkauft, wie immer. Ein drehbares Klavier, sein Saxofon-Kumpel Mark Rivera, die Freiheitsstatue am LED-Bildschirm - wären da nicht der Jetlag und eine gewisse antiimperialistische Grundhaltung, man würde wahrscheinlich losheulen. "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht", sagt Joel, 74. Auf der Straße hätte man ihn 30 Jahre nach dem letzten Konzertbesuch nicht erkannt. "Die schlechte: Es gibt keine neuen Songs. Die gute: Die alten kennt ihr ja." Irgendwann folgt "Piano Man". Und so fließen sie halt doch, die Tränen. Aber keine Angst: Es sieht ja keiner. Martin Zips

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