Süddeutsche Zeitung

Mexiko:Zum Flugschämen

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Präsident Andres Manuel López Obrador wäre gerne endlich seinen protzigen Regierungsflieger los. Der wurde von seinem Vorgänger angeschafft und passt nicht zu einem Land, "in dem es so viel Armut gibt".

Von Benedikt Peters

Andres Manuel López Obrador, Mexikos Präsident, ist ein Meister der Bescheidenheit. Er hat sich selbst und vielen weiteren Regierungsbeamten das Gehalt halbiert, statt einer luxuriösen Limousine fährt er einen ziemlich ollen VW Jetta. Allseits bekannt ist außerdem sein Kampf gegen das ihm übertragene Präsidentenflugzeug - einer luxuriösen Boeing 787 Dreamliner mit gepolsterten Sesseln, großzügigen Schlafgemächern und Badezimmern. Nicht einen Fuß werde er in die Maschine setzen, so hatte es López Obrador schon vor seiner Amtszeit angekündigt. "Ich würde mich schämen, in so ein Luxusflugzeug zu steigen - in einem Land, in dem es so viel Armut gibt." Er versprach, die Maschine zu verkaufen und zu seinen internationalen Terminen per Linie zu reisen.

Die ungeliebte Boeing gilt als luxuriösestes Flugzeug Lateinamerikas

Tatsächlich hat López Obrador die Präsidentenmaschine bisher nicht ein einziges Mal benutzt - obwohl er auch schon mal auf einem Linienflug in der zweiten Klasse nicht weiterkam. Dennoch musste er seinen Landsleuten kürzlich eine schmerzhafte Botschaft überbringen: Er kriegt das Flugzeug einfach nicht verkauft. Ein Jahr lang stand die Boeing nun auf einem kleinen Privatflughafen in Kalifornien, wo sie auf einen Käufer wartete. Interessenten habe es auch reichlich gegeben, erklärte der Präsident nun, den viele wegen seiner Initialen einfach nur "Amlo" nennen. Am Ende sei ein Deal jedoch gescheitert, weil potenzielle Kreditgeber abgesprungen seien. Nun werde die Maschine wieder zurück nach Mexiko gebracht.

130 Millionen Euro ist das Flugzeug wert - und aus Sicht vieler Mexikaner ein Symbol dafür, was in den vergangenen Jahren in dem Land alles falsch lief. Amlos Vorgänger Peña Nieto hatte die Maschine 2012 erworben und für 80 Passagiere ausbauen lassen. Sie gilt als luxuriösester Flieger Lateinamerikas - und damit als Sinnbild für eine mexikanische Elite, die jahrzehntelang in Saus und Braus lebte, an den gravierenden Problemen des Landes aber nichts änderte. Im Wahlkampf setzte Amlo dem Volk seine demonstrativ zur Schau gestellte Bodenständigkeit entgegen, welche wesentlich zu seinem Erfolg beitrug.

Seit einem Jahr nun ist López Obrador im Amt, und er ist nach wie vor so beliebt wie kaum ein Präsident zuvor. Seine Zustimmungsraten liegen bei 60 bis 70 Prozent - auch wenn viele der Versprechen, die er den Mexikanern im Wahlkampf machte, noch nicht in Erfüllung gegangen sind. Er wolle nicht nur mehr Wohlstand schaffen, so hatte er angekündigt, sondern endlich auch mit Korruption und Kriminalität im Land Schluss machen. Der Drogenschmuggel aber blüht in Mexiko nach wie vor, und die Mordraten erreichten im vergangenen Jahr neue Rekorde. Amlo sagt, es brauche einfach noch etwas mehr Zeit, bis seine Politik Wirkung zeige.

Auch in Sachen Flugzeugverkauf möchte er nicht aufgeben. Er werde die Maschine von Mexiko aus Unternehmen anbieten, kündigte Amlo an. Man könne das Ding aber auch vermieten oder einem anderen Staat zum Tausch gegen Waren anbieten, zum Beispiel den USA. Der Präsident will den Flieger lieber heute als morgen loswerden, denn jeden Tag fallen Wartungskosten an. Allein für das Jahr auf dem Flugplatz in Kalifornien belaufen sie sich Berichten zufolge auf 1,6 Millionen Dollar.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2020
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