Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Das treibt mich in den Urin

Delfine lesen aus den "Urinfahnen" ihrer Artgenossen wertvolle Informationen heraus. Schade, dass der Mensch mit so etwas Probleme hat.

Von Martin Zips

Oft ekelt sich der Mensch vor fremder Biomasse. Zwar rät ihm die Psychologie zum Umarmen und Streicheln - etwa von Zwergpinschern oder Bäumen. Wenn es aber um nicht klar zuzuordnende Hinterlassenschaften vor seinem Gartentörchen geht oder um die Frage, warum das Wasser im Freibad um ihn herum plötzlich so warm wird, da befällt den Menschen dann doch meist fieser Ekel.

Wie wertvoll ist es daher zu wissen, dass zumindest Delfine eine große Freude an der Biomasse anderer haben. Ja, sie können, wie gerade Biologen an der texanischen Stephen F. Austin State University herausgefunden haben, aus den "Urinfahnen" ihrer Artgenossen noch im Vorbeischwimmen interessante Informationen ablesen. Etwa, ob es sich bei dem und der Absondernden um einen Freund oder einen Feind handelt. Womöglich auch, ob gerade grundsätzlich Paarungsbereitschaft besteht - oder Gefahr in Verzug ist. Interessant ist, dass die Biologen eine ähnliche Fähigkeit auch beim Menschen vermuten.

Erst die allgegenwärtige Umweltverschmutzung, so die Forscher, mache einem Delfin die Deutung des Fremd-Urins quasi unmöglich. Was für Delfine ins Meer gekipptes Öl oder Chemikalien sind, das dürften für Menschen Deosticks, Parfüms, Alkohol und Zigaretten sein. Auch durch sie könnten wertvolle Geruchsinformationen übertüncht werden. So gesehen ist es gar kein Wunder, wenn sich der Mensch irgendwann vollends entfremdet von seiner natürlichen Biomasse. Vielleicht sollte er endlich mal wieder einen Baum umarmen.

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