Süddeutsche Zeitung

Diversität in der Werbung:Wenn Süßigkeiten woke werden

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Schokolinsen-Hersteller Mars hat seine Cartoon-M&M's immer wieder angepasst an eine diverse Welt. Das wurde vor allem einem rechten US-Moderator zu bunt. Nun schafft der Konzern die Maskottchen vorerst ab.

Glosse von Veronika Wulf

In Zeiten, in denen man eigentlich niemandem auf den Schlips oder den Schleier treten möchte, haben es Firmen nicht leicht. Sie wollen möglichst alle und jeden ansprechen, wenn schon nicht aus Menschenliebe, dann doch aus Umsatzliebe. Also sehen Freundeskreise in Werbespots so aus, als sei von jedem Kontinent einer abgeordnet worden, Modelabels schicken Transmodels auf den Laufsteg, Unterwäschehersteller zeigen Frauen, die nicht untergewichtig sind. Und trotzdem müssen sie sich vorwerfen lassen, irgendwen vergessen zu haben.

Ein Glück, wenn man da ein Produkt hat, das von sich aus schon geschlechtsneutral, divers und bunt ist. Wie der Süßigkeitenkonzern Mars Wrigley seine M&M's.

Oder?

Nun, es ist leider so, dass sich auch Schokolinsen offenbar besser verkaufen, wenn man sie vermenschlicht. Also springen die runden Dinger schon 1954 mit Ärmchen und Beinchen in einem Werbespot über die Fernsehbildschirme. Noch immer konnte man sie als repräsentativ für etliche Geschlechter und Ethnien bezeichnen, sollte jemand auf die Idee kommen, sich mit einer Schokolinse identifizieren zu wollen. Schließlich sprachen sie mit einer geschlechtsneutralen Comic-Pieps-Stimme, es gab verschiedene Farben (oder zumindest Graustufen dank Schwarz-Weiß-Fernsehen), und manche hatten sogar eine Erdnuss drin, verschiedene innere Werte waren also auch vertreten.

Von der nonbinären Schokolinse zur sexy M&M's-Frau

Nachdem es in den Anfangszeiten der Schokolinsen kurz eine Werbung gab, in der sie Kleidchen und Hose trugen, folgten viele Jahrzehnte geschlechtsloser M&M's. Die einzigen, die sich in den runden Maskottchen nicht wiederfinden konnten, waren wohl Dünne. Doch in den Nullerjahren besannen sich die Werber darauf, dass alles unbedingt ein Geschlecht haben muss. Das grüne und das braune M&M wurden mit Merkmalen ausgestattet, an denen man unverkennbar jede Frau erkennt. Richtig: Wimpern, Kussmund und hohe Schuhe.

Im vergangenen Jahr dann bekamen die beiden weiblichen M&M's gemütlichere Schuhe statt der hohen Hacken, um ein zeitgemäßeres Frauenbild zu vermitteln. Bei all den Diversitätsbemühungen hat die Firma nur leider eine unterrepräsentierte Minderheit übersehen, die es ohnehin schon schwer hat: alte, weiße, rechte Männer, die auf sexy Süßigkeiten stehen.

Tucker Carlson, Fernsehmoderator bei Fox News mit rechtsextremen und verschwurbelten Ansichten, sprach sein Leiden öffentlich an. Die neuen M&M's-Figuren seien "woke", die beiden weiblichen nun "weniger sexy", sagte er in seiner Sendung. Mehr als 20 000 Leute unterschrieben eine Online-Petition, damit "das grüne M&M sexy bleibt". Als auch noch ein lilafarbenes M&M zu der Maskottchenfamilie dazukam, das für Selbstliebe und Inklusion stehen sollte, beschimpfte Carlson es als übergewichtig.

"America, let's talk"

Die Firma Mars Wrigley sah wenn schon nicht den Weltfrieden zumindest jedoch die Einigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika bedroht und reagierte nun mit einem Statement, das dem Anlass entsprechend mit den Worten beginnt: "America, let's talk" - Amerika, lass uns reden. Man habe nun verstanden, dass sogar der Schuh einer Süßigkeit polarisieren könne, dabei wolle man doch die Menschen zusammenbringen. Die Marke verabschiede sich deshalb auf unbestimmte Zeit von den spokescandies.

Stattdessen soll nun die US-Komikerin Maya Rudolph für die Schokolinsen werben. Rudolph ist eindeutig eine Frau und nichts als eine Frau, nach allem, was man weiß. Drüber hinaus soll sie sich Berichten zufolge bereits feministisch geäußert haben. Wenn das mal gutgeht. Alte, weiße, rechte Männer kaufen schließlich auch M&M's.

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