Süddeutsche Zeitung

Polizeiliche Kriminalstatistik:Weniger Einbrüche, mehr Angriffe auf Polizisten

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Für einige Taten fehlte den Gangstern im Corona-Jahr die Gelegenheit. Andere Delikte waren überhaupt nur möglich, weil es die Pandemie gab.

Wie hat sich die Pandemie auf die Kriminalität ausgewirkt? Diese Frage stand im Mittelpunkt, als Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Bundeskriminalamtschef Holger Münch sowie Thomas Strobl (CDU), der baden-württembergische Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, an diesem Donnerstag die Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt haben.

Zunächst lässt sich feststellen, dass die Zahl der Straftaten 2020 zurückgegangen ist, und zwar um 2,3 % im Vergleich zum Vorjahr. 5,3 Millionen Straftaten haben Polizeidienststellen im vergangenen Jahr erfasst.

Schon im vierten Jahr in Serie ist ein Rückgang zu verzeichnen. Dennoch wäre es voreilig, daraus einen längerfristigen Trend abzuleiten, denn mit den Vorjahren lässt sich die in den Zahlen für 2020 abgebildete Entwicklung nur bedingt vergleichen. Aufgrund der Corona-Pandemie hatten es Taschendiebe und Einbrecher zuletzt schwer, Opfer zu finden. Gleichzeitig nutzten Betrüger die Pandemie, um unrechtmäßig staatliche Corona-Hilfen einzustreichen oder verängstigten Bürgern mit angeblichen Wundermitteln gegen das Virus Geld zu entlocken.

58,4 Prozent aller Straftaten wurden im Jahr 2020 aufgeklärt. Besonders hoch ist die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten (94,9 %), bei der sogenannten Beförderungserschleichung, gemeinhin "Schwarzfahren" genannt sowie bei Sozialleistungsbetrug (98,6 %). Besonders niedrig mit nur 15,7 Prozent ist die Aufklärungsquote in der Kategorie "Diebstahlsdelikte unter erschwerenden Umständen", dazu zählen zum Beispiel Wohnungseinbruchdiebstahl und Fahrraddiebstahl.

Unter den Straftaten, die besonders stark zurückgegangen sind, liegt die Erpressung (minus 32,4 Prozent) an der Spitze. Weitere Beispiele sind Kfz-Diebstahl (minus 15,9 Prozent), ausländerrechtliche Verstöße (minus 11,2 Prozent) sowie Ladendiebstahl (minus 6,7 Prozent).

Auch die Gewaltkriminalität ist um 2,4 Prozent zurückgegangen. Bei den Unterkategorien Mord, Totschlag, Vergewaltigung und anderen Sexualdelikten verzeichnete die Polizei allerdings eine Zunahme von jeweils mehr als drei Prozent.

Dass die Zahl der Wohnungseinbrüche 2020 um 13,9 Prozent gesunken ist, überrascht nicht. Schließlich haben sich die Menschen wegen Distanzunterricht und Home Office viel mehr daheim aufgehalten als in normalen Zeiten. Dadurch gab es für Einbrecher deutlich weniger Gelegenheiten, unbemerkt in Wohnungen einzusteigen. Das galt auch für Taschendiebe, die im öffentlichen Raum nicht so viele potenzielle Opfer vorfanden wie sonst.

Straftaten, die sich im Jahr 2020 häufiger in der Statistik wiederfinden sind unter anderem Abrechnungsbetrug (plus 29,6 Prozent) sowie der Angriff auf Vollstreckungsbeamte (plus 5,9 Prozent). "Eine der wesentlichen Ursachen" für den Anstieg bei den Attacken auf Polizisten sei die Polarisierung durch die Corona-Pandemie, sagte BKA-Präsident Holger Münch. Die Beamten seien damit besonders konfrontiert, weil sie Protestkundgebungen begleiten und Infektionsschutzmaßnahmen durchsetzen müssten. Dramatisch gestiegen ist im Pandemie-Jahr außerdem der Subventionsbetrug (um das 24-fache), insbesondere Taten zur Erschleichung von Corona-Hilfen.

Bundesweit 6779 Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz wurden 2020 erfasst. Allerdings sind nicht alle Verstöße gegen die jeweils vor Ort geltenden Corona-Schutzbestimmungen Straftaten. Bei den meisten Verstößen handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Bußgeld geahndet werden.

Auch alle Straftaten, die in den Bereich Kindesmissbrauch fallen, haben um 6,8 Prozent zugenommen. Das BKA erklärt das teilweise damit, dass nach den großen Missbrauchsverfahren in Lügde, Bergisch Gladbach und Münster die Ermittlungen intensiviert worden seien. Eine Ursache für die Zunahme der Fallzahlen sei die Aufhellung des Dunkelfeldes, erklärte Seehofer. Diese sei vor allem auf die gute Zusammenarbeit mit Internetbeschwerdestellen in Deutschland und den USA zurückzuführen. "Wir bekommen jetzt, und da bin ich sehr dankbar, deutlich mehr Hinweise, als das früher der Fall war."

Die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit pornografischen Darstellungen von Kindern und Jugendlichen stieg sogar um etwa 54 Prozent an - auf 26 739 Fälle. Dabei spielt laut BKA auch der Trend eine Rolle, dass Kinder und Jugendliche - teilweise ohne zu wissen, dass dies eine Straftat ist - solche Bilder in Gruppenchats teilen und damit verbreiten, etwa über Whatsapp, Instagram oder Snapchat.

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