Süddeutsche Zeitung

Kalifornien:Ein Zeichen der Hoffnung zwischen Ruinen

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Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Paradise. Nur sehr fröhliche Menschen sind verrückt genug, eine Stadt so zu nennen, und die Einwohner sprechen mittlerweile nicht mehr darüber, dass dieser Name eigentlich vom früheren Goldrausch-Saloon "Pair-O-Dice" (auf Deutsch: Würfelpaar) abgeleitet ist. Für sie war dieser Ort, etwa 90 Autominuten nördlich von Sacramento, nichts weniger als das: ein Paradies.

Die Kleinstadt allerdings wurde während der verheerenden Waldbrände im vergangenen Herbst zum Symbol der Zerstörung: 86 Menschen sind ums Leben gekommen, rund 27 000 Leute verloren ihr Haus, der Sachschaden allein durch das sogenannte Camp Fire lag bei mehr als 16,5 Milliarden Dollar.

"Es hat mir das Herz gebrochen, ich stamme von da oben, meine Familie wohnt noch immer dort", sagt der Künstler Shane Grammer über die verheerenden Bilder, die aus Paradise um die Welt gegangen sind. "Ein Freund von mir hat mir das Foto seines Hauses geschickt, das bis auf den Kamin komplett abgebrannt war", sagt er. Wo die anderen eine Ruine in einem apokalyptischen Szenario sahen, entdeckte Grammer eine Leinwand: "Es war perfekt, und ich habe mir gedacht, dass ich genau dort ein Wandgemälde erstellen muss."

Vor ein paar Wochen fuhr er von Los Angeles nach Paradise und sprühte das Gesicht einer jungen Frau auf die Ruine. "Ich habe immer Schönheit dort gesehen, wo andere Zerstörung gesehen haben", sagt Grammer, der auch schon Wandgemälde in Kambodscha erstellt hat, um gegen Sexhandel mit Kindern zu protestieren: "Ich glaube, dass die Menschen so etwas gebraucht haben, eine Art Schlag ins Gesicht, dass sie die Hoffnung nicht verlieren dürfen. Das Gemälde sollte ein Mahnmal sein, dass das Leben an diesem Ort weitergehen kann."

Symbol der Widerstandskraft

In Paradise funktionierte das: Die Bewohner kehrten in die völlig zerstörte Stadt zurück, und sie fanden dort dieses Gemälde, ein bisschen "Schönheit in der Asche", wie Grammer sein erstes Werk in Paradise genannt hat. Mittlerweile hat er sechs Gemälde angefertigt, eine Frau an der Seite eines ausgebrannten Autos zum Beispiel oder das Mädchen Eleanor an der Ziegelsteinwand eines Hauses, in dem eben dieses Mädchen gewohnt hat und nun die Zerstörung verarbeiten muss.

"Ich werde nächste Woche wieder nach Paradise fahren und drei weitere Gemälde anbringen", sagt Grammer: "Es freut mich einfach zu sehen, wie die Menschen wieder Hoffnung schöpfen - und wie ich meinen kleinen Teil dazu beitragen kann."

Das Paradies, sagt Grammer, müsse nicht unbedingt ein himmlischer Garten sein: "Ich habe immer auch Elemente von Schönheit in Destruktion gefunden." Paradise, das Symbol der Zerstörung durch die schlimmsten Waldbrände der kalifornischen Geschichte, soll nun zum Symbol der Widerstandskraft werden. Die Malereien von Grammer sollen dabei helfen.

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SZ vom 05.02.2019
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