Süddeutsche Zeitung

Rubbellos-Diebstahl in Italien:Tante Anna hat ihr Geld wieder

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Eine italienische Putzhilfe gewinnt eine halbe Million Euro im Lotto, doch der Mann von der Annahmestelle klaut ihr den Schein. Jetzt gibt es ein Happy End.

Von Oliver Meiler, Rom

Geschichten gibt es, die gibt es nur in Neapel, einer Stadt in ständiger Schwebe zwischen Komödie und Tragödie. Und manchmal enden sie gut, mit Happy End, wie die Geschichte von Tante Anna und ihrem gestohlenen Rubbellos. Der italienische Staat beziehungsweise seine Lotterie-Behörde hat den gestohlenen Lottoschein gefunden, ihn geprüft und freigegeben. Zia (das italienische Wort für "Tante") Anna, 69 Jahre alt, Putzhilfe, soll nun also am Dienstag ihren Gewinn von 500 000 Euro ausbezahlt bekommen, die ihr der Losverkäufer auf fast clowneske Weise entwendet und sich damit zum Gespött der Republik gemacht hatte.

Doch von vorn: Stadtviertel Materdei, vor ein paar Wochen. Zia Anna, die natürlich nicht so heißt, man will sie nur vor neuerlicher Unbill schützen, kaufte in einem Tabakladen mit Lottoannahme ein Los aus der Serie "Doppia sfida", ein sogenanntes "Gratta e vinci": kratze und gewinne, ein Spielschein in knalligen Farben, orange, gelb, blau. Für fünf Euro. Zia Anna, so erfährt man aus der neapolitanischen Lokalpresse, spielt schon lange, immer Rubbellose. Sie hat auch schon gewonnen, aber es waren nur kleine Beträge, keine lebensverändernden.

Diesmal aber war es ein richtig großer Betrag: eine halbe Million Euro. Da sie ihrem Glück nicht traute, ging sie zurück in den Laden. Der Angestellte schaute sich das Los genau an und sagte dann, ja, Signora, 500 000 Euro. Doch auch der Angestellte wollte ganz sicher sein und holte den Mann der Ladenbesitzerin dazu, 57 Jahre, mittlerweile auch als "tabaccaio di Napoli" bekannt, der Tabakverkäufer aus Neapel. Und der griff sich den bunten Glücksschein der Kundin, wog ihn kurz in der Hand, entschwand damit auf seinem Motorrad, kommentarlos, und kam nicht wieder. Zia Anna meldete den Fall der Polizei, und die Lotterieagentur stoppte vorsichtshalber die Gewinnausschüttung für alle Lose des Tabakgeschäfts.

Festnahme am Flughafen

Die Geschichte war schnell in allen Medien, die Italiener fragten sich: Wie denkt der Mann wohl, mit dieser Nummer davonzukommen? Am Tag darauf nahm die Zollpolizei den "tabaccaio di Napoli" am Flughafen Fiumicino in Rom fest. Er wollte gerade auf die kanarischen Inseln fliegen. Der Polizei sagte er, das sei alles ein großes Missverständnis, eigentlich sei er das Opfer. Doch offenbar hatte er Zia Anna von unterwegs vorgeschlagen, den Gewinn zu teilen: fifty-fifty, eine Viertelmillion für beide. Natürlich schlug sie aus. Der Mann wurde verhaftet, er saß ein paar Tage im Gefängnis, dann bereute er.

Das Los fand man in einem Sicherheitsfach in einer Bank in Latina, einer Stadt südlich von Rom. Da hatte er es deponiert, bevor er weiterfuhr zum Flughafen. Wahrscheinlich rechnete er sich aus, dass er den Gewinn dann später einkassieren würde, wenn Gras über die Geschichte gewachsen wäre. Sein Anwalt plädiert jetzt auf Unzurechnungsfähigkeit, damit sein Mandant glimpflich davonkommt - mit einer Strafe für einfachen Diebstahl. Es seien ihm einfach die Sicherungen durchgebrannt, als er das Los in den Händen hielt.

Nun kommt also alles gut, jedenfalls für Zia Anna. Sie ist unverheiratet, lebt mit einem ihrer Brüder, der als Klempner arbeitet, zur Miete nicht weit vom Lottoladen von Materdei, der nun seine Lizenz verloren hat. Im Haus denken sie, Zia Anna werde wohl ihre Wohnung im ersten Stock kaufen. Sie hat acht Geschwister, einen Haufen Nichten und Neffen - eine neapolitanische Großfamilie wie aus dem Klischee. Vielleicht ist das ja ein Happy End für etliche.

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