Italien:Das Glück des Flüchtigen

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Wenn in Italien in einer Annahmestelle einem Kunden ein Großgewinn zufällt, wird sie danach regelrecht überrannt, als wäre sie geküsst vom Glück. (Foto: epa ansa Silvi/dpa)

Eine Frau aus Neapel zieht ein Rubbellos - und hat den 500 000-Euro-Jackpot. Als sie ihr Los dem Verkäufer zeigt, steckt der es ein - und haut ab.

Von Oliver Meiler

Glück ist ein flüchtiges Gefühl, zuweilen buchstäblich. In Neapel, in einem Tabakladen mit Lotterieannahme im alten Stadtteil Materdei, hat eine 70-jährige Frau unfassbar viel Glück gehabt. Sie kaufte für zehn Euro ein Rubbellos, ein "Gratta e vinci", Rubble und gewinne!, sehr beliebt in Italien. Als das eine Niete war, kaufte sie ein zweites und gewann damit 500 000 Euro. Die Zahl erschien ihr dermaßen verrückt, dass sie ihr Los einem Angestellten des Ladens zeigte, der ihr bestätigte: "Sì, sì, Signora - 500 000." Er holte dann aber noch den Chef dazu, um auch ja nichts falsch zu machen. Eine halbe Million!

Nun, der tabaccaio, wie sie in Italien die Besitzer dieser Läden nennen, 57 Jahre alt und bekannt im ganzen Quartier, schaute sich das Los kurz an, steckte es in die Tasche, griff nach seinem Motorradhelm und entschwand durch einen Hinterausgang. Zurück blieben: eine verdutzte Dame und ein nicht minder verwunderter Angestellter. Als klar wurde, dass der Glücksdieb nicht zurückkommen würde, meldeten sie den Fall der Polizei, und die informierte die Agentur für Zölle und Monopole, die dem Wirtschaftsministerium untersteht und für die Verwaltung der Lotterie im Land zuständig ist.

Sie blockierte gleich die gesamte Serie der "Gratta e vinci" in Neapel, damit der Betrag auch ja nicht eingelöst werden konnte. Die Agentur gab auch eine Fahndungsmeldung aus, national, auch an die Grenzpolizei. So unwahrscheinlich es anmuten mochte, dass der getürmte Ladenbesitzer mit dem gestohlenen Los sich ins Ausland absetzen würde, als hätte er Cash bei sich - man kann ja nie wissen.

Der Laden wird jetzt überrannt

Und tatsächlich: Als der Mann einige Stunden später versuchte, sich am Flughafen Fiumicino in Rom für einen Flug auf die kanarische Insel Fuerteventura einzuchecken, schlug das System an, er konnte gestoppt werden. Das Los trug er nicht bei sich, das Geld sollte wohl jemand anders einkassieren und dann nachsenden. Festgenommen wurde der Verdächtigte vorerst nicht, er hatte davor nämlich noch nie Probleme mit der Justiz gehabt.

Wahrscheinlich wird die Agentur für Zölle und Monopole seinem Laden nun die Lizenz für Lose und Lotterien entziehen. Und das ist natürlich sehr unglücklich: Kaum hatte die Geschichte vom Gewinn der älteren Dame die Runde gemacht, strömten viele Neapolitaner nach Materdei, um da ihr Glück zu versuchen. In Italien ist das ein alter, wenn auch etwas mysteriöser Reflex, gegen alle Regeln der Wahrscheinlichkeitstheorie: Wenn in einer Annahmestelle einem Kunden ein Großgewinn zufällt, wird sie danach regelrecht überrannt, als wäre sie geküsst vom Glück, gesegnet von den Göttern. Und weil das so ist, feiern die Annahmestellen das Glück ihrer Kunden beim Lotto oder beim Superenalotto jeweils gerne mit Feuerwerk und Prosecco - vor allem im Süden. Ein bisschen so, als wären sie mit einem Gütesiegel ausgezeichnet worden, ähnlich wie Restaurants Sterne von "Guide Michelin" begehen.

Doch bei aller Freude über den Gewinn der Kundschaft: Schon möglich, dass der Neid bei denen besonders nagt, die diese lebensverändernden Lose in ihren Läden verkaufen. Die Nachbarn des tabaccaio aus Materdei erzählen den Medien, die Reaktion des Mannes habe sie schon sehr überrascht, das sei ganz und gar nicht seine Art. Ein Moment des Wahnsinns?

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