Süddeutsche Zeitung

Italien:Berüchtigter Schleuser vor Gericht - oder ein Unschuldiger?

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Er soll Tausende Flüchtlinge aus Eritrea nach Italien geschleust, die gefährlichen Bootsfahrten zwischen Nordafrika und Lampedusa organisiert haben und dabei besonders skrupellos vorgegangen sein. Der mutmaßliche Schlepper ist im vergangenen Juni im Sudan festgenommen und nach Italien ausgeliefert worden, wo er sich vor Gericht verantworten soll.

Doch schon kurz nach seiner Festnahme wurden Stimmen laut, bei dem Inhaftierten handele es sich nicht um den gesuchten Schlepper Medhanie Yehdego Mered. Der Guardian hat jetzt Fotos und Auszüge aus privaten Facebook-Nachrichten veröffentlicht, die diese Theorie stützen. Demnach soll der Inhaftierte Medhanie Tesfamariam Berhe heißen und ein 29-jähriger Milchbauer aus Eritrea sein.

Die Facebook-Nachrichten sollen vom gesuchten Schlepper selbst geschrieben worden sein. "Sie haben einen Fehler mit seinem Namen gemacht. Jeder weiß, dass er kein Schleuser ist. Ich hoffe, er kommt frei, denn er hat nichts getan", zitiert der Guardian die private Facebook-Nachricht, die in Tigrinya, Amtssprache von Eritrea und auch in Äthiopien verbreitete Sprache, geschrieben ist. Der Account läuft auf den Namen Meda Yehdego - der Name, unter dem Mered als Schlepper bekannt sei. Er zeige außerdem Fotos von Mereds Sohn und seiner Frau Lidya Tesfu.

Zuvor hatte der Guardian bereits Fotos veröffentlicht, die Mered bei einer Familienhochzeit zeigen. Der Mann sieht deutlich anders aus, als jener, der in Italien im Gefängnis sitzt. Ähnlichkeit bestehe dagegen mit den Steckbriefen der italienischen Justiz, die im vergangenen Jahr veröffentlicht worden waren.

Wie der Guardian berichtet, hätten auch Opfer ausgesagt, dass es sich bei dem verhafteten Mann nicht um den Schlepper handeln würde, der sie nach Europa gebracht habe.

Die BBC hatte kurz nach der Verhaftung berichtet, dass es sich um den falschen Mann handele und nannte als Quelle Familienmitglieder und Freunde des Festgenommenen. Die beteiligten italienischen, sudenesischen und britischen Behörden wollten sich zu dem Verdacht der Verwechslung gegenüber dem Guardian entweder nicht äußern oder gaben an, keine neuen Erkenntnisse zu haben.

Die Festnahme Mereds galt bislang als Kehrtwende im Kampf gegen den Menschenschmuggel. Bemerkenswert war die Auslieferung des Schleppers vom Sudan nach Italien, da die beiden Länder kein Rechtshilfeabkommen unterzeichnet haben.

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