Süddeutsche Zeitung

Indien:Verdächtige nach Gruppenvergewaltigung in U-Haft

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Auf Anordnung des Dorfrats sollen sie eine junge Frau in einem kleinen Ort im Nordosten Indiens vergewaltigt haben - jetzt stehen 13 Tatverdächtige deswegen vor Gericht. Auch der oberste Richter des Landes hat sich eingeschaltet. Die Dorfbewohner weisen die Vorwürfe zurück.

Nach der erneuten Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Indien sind die mutmaßlichen Schuldigen vor Gericht erschienen. Alle 13 Verdächtigen seien für zwei Wochen in Untersuchungshaft genommen worden, erklärte die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Westbengalen.

Der festgenommene Vorsitzende des Dorfrats, der die Gewalttat als "Strafe" für eine verbotene Beziehung angeordnet haben soll, wies alle Vorwürfe zurück. "Das ist eine Verschwörung, um mich fälschlicherweise hineinzuziehen", sagte der wütende Dorfvorsteher Balai Mardi einem AFP-Reporter im Gefängnis im Birbhum-Bezirk. Der 58-Jährige soll am Dienstag als Vorsitzender des Dorfrats von Subalpur eine Versammlung geleitet haben, in der sich eine 20-jährige Frau wegen einer Liebesbeziehung mit einem jungen Muslim aus einem Nachbardorf verantworten musste.

Auch viele Dorfbewohner weisen die Vorwürfe zurück. Die Ehefrauen der Verdächtigten verteidigen ihre Männer und vermuten der Times of India zufolge eine Verschwörung. Journalisten und Polizisten sollen am Betreten des Dorfes gehindert worden sein. Die Bewohner werfen ihnen eine Herabwürdigung ihrer kulturellen Lebensweise vor und wehren sich gegen die "Einmischung".

Den Darstellungen der Dorfbewohner zufolge sei die junge Frau mit einem verheirateten Mann in flagranti ertappt worden, woraufhin sie zurück ins Dorf gebracht wurde - sie soll aber in keiner Weise bestraft worden sein. Das mutmaßliche Opfer sei demnach eine "schlechte" Frau.

Blutig und humpelnd auf der Flucht

Im Widerspruch dazu stehen die Angaben der jungen Frau, die am Mittwoch bei der Polizei Anzeige wegen Vergewaltigung erstattete: Sie berichtete, dass sie bei der Sitzung zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Da ihre Eltern das Geld nicht aufbringen konnten, soll der Rat als Strafmaßnahme ihre Vergewaltigung angeordnet haben. Daraufhin sei sie in einer Hütte von mehreren Männern vergewaltigt worden. Die Polizei berichtete, der 20-Jährigen seien anschließend von Mitgliedern des Dorfrats schwere Konsequenzen angedroht worden, sollte sie über die Ereignisse sprechen. Blutend und humpelnd sei ihr die Flucht gelungen, so dass sie Anzeige erstatten konnte.

Am Freitag waren fast alle Männer aus der Siedlung geflohen. Die Frauen und Kinder, die in dem kleinen Dorf zurückgeblieben waren, wollten sich zumeist nicht zu den Ereignissen äußern, berichtete ein AFP-Reporter. Nachbarn beschrieben das Opfer als stilles Mädchen, das seinen Freund heiraten wollte. Der Dorfrat soll dies nicht akzeptiert haben, da dieser Muslim ist. Wie in vielen Dörfern Indiens regele der Dorfrat das tägliche Leben der Bewohner und bestrafe kleinere Vergehen, sagte eine Nachbarin.

Das besonders in den ländlichen Gebieten Nordindiens verbreitete System der Dorfräte, Khap Panchayats genannt, ist umstritten. Kritiker werfen den Räten vor, reaktionäre Moralvorstellungen zu vertreten und mit ihren Urteilen gegen die geltenden Gesetze zu verstoßen. Indiens oberster Richter zeigte sich am Freitag "äußerst beunruhigt" über den Vorfall in Subalpur und wies die örtliche Justiz an, binnen einer Woche einen Bericht dazu vorzulegen.

Außereheliche Beziehungen sind in ländlichen Gebieten in Indien ein Tabu, Ehen werden meist von den Eltern arrangiert. Meist wird dabei ein Partner aus der gleichen Religionsgruppe und Kaste gesucht. Zugang zu Bildung gibt es in den ärmeren Regionen kaum.

Die Vergewaltigung wirft erneut ein Schlaglicht auf die Behandlung von Frauen in Indien. In dem südasiatischen Land wird verstärkt über die verbreitete Misshandlung von Frauen diskutiert, seitdem im Dezember 2012 eine junge Studentin in der Hauptstadt Delhi an den Folgen einer brutalen Gruppenvergewaltigung starb. Seitdem wird immer wieder über Vergewaltigungen in dem Land berichtet.

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