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Havariertes Kreuzfahrtschiff vor Italien:"Heiligtum der Wale" droht Ölpest

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Mit 2400 Tonnen Treibstoff an Bord ist die "Costa Concordia" in einer einmaligen Meeresschutzzone gekentert. Läuft das Schweröl aus, sind Zehntausende Meerestiere in Gefahr. Angesichts der menschlichen Tragödie ist diese Warnung zweitrangig. Sie macht aber deutlich, was das größte Problem des zunehmenden Kreuzfahrt-Tourismus ist.

Jeanne Rubner

Ausgerechnet Pelagos. So heißt die Meeresschutzzone, die sich vom französischen Toulon im Westen bis zur südlichen Toskana im Osten und von Genua bis hinunter nach Sardinien zieht: ein Refugium für Meeressäuger, weshalb Pelagos auch das "Heiligtum der Wale" genannt wird. In dem Gebiet, das mit knapp 90.000 Quadratkilometern etwas größer als Österreich ist, leben besonders viele Finn- und Pottwale, ebenso Delphine.

Und ausgerechnet hier liegt nun die Costa Concordia, in deren vollgetanktem Schiffsbauch sich nach Schätzung der Umweltorganisation WWF bis zu 2400 Tonnen Diesel- und Schweröl befinden. Bei 80 Grad Schlagseite droht das Kreuzfahrtschiff, das auf einer Sandbank liegt, in tieferes Wasser abzurutschen. Naturschutzexperten warnen deshalb vor einer tödlichen Gefahr auch für Zehntausende Meerestiere.

Angesichts der menschlichen Tragödie der verunglückten Kreuzfahrt sind diese Warnungen zunächst zweitrangig. Trotzdem macht die Havarie deutlich, welche ökologischen Gefahren die rasant wachsende Zahl von Kreuzfahrten mit sich bringt. Immer mehr Schiffe durchkreuzen das Mittelmeer und damit das Pelagos-Schutzgebiet. Zu diesem gehört auch ein Zipfel des Tyrrhenischen Meeres, das sich durch seine besonders reiche Artenvielfalt auszeichnet. Papageienfische leben hier, Seesterne und Korallen, Meerbrassen. Die Insel Giglio gilt als Paradies für Taucher. Zugleich ist sie für Zugvögel eine Station auf dem Weg nach Süden. Umweltexperten wie der Meeresschutzexperte Kim Detleff vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der auf Giglio arbeitet, fürchten eine Umweltkatastrophe an der Felsküste.

Die Bergung der Toten hat Priorität, allerdings könnte das bereits beauftragte niederländische Unternehmen Smit nach eigenen Angaben in den nächsten Tagen damit beginnen, Öl aus dem Schiff abzupumpen, um ein Auslaufen zu verhindern. Die Aktion könne zwei bis vier Wochen dauern, sagt ein Sprecher von Smit, das auf Bergungsarbeiten auf See spezialisiert ist und an der Hebung des im Jahr 2000 gesunkenen russischen Atom-U-Bootes Kursk beteiligt war.

Schiffe sind Dreckschleudern

Die Gefahr einer Ölpest macht deutlich, was das größte ökologische Problem der Kreuzfahrten ist: der Treibstoff. Die Schiffe fahren mit billigem Schweröl, einem Rückstand aus der Ölverarbeitung, in dem weitaus mehr Schwefel enthalten ist als in Benzin. Seit 2010 darf in europäischen Häfen zwar der Schwefelgehalt nur noch 0,1 Prozent betragen - doch dieser Grenzwert ist noch immer hundert Mal höher als der für Benzin. Bei den Stickoxiden gilt seit 2011 ein Grenzwert, der dem des Straßenverkehrs Anfang der neunziger Jahre entspricht.

Bei der Verbrennung von Schweröl entstehen überdies Ruß und Feinstaub. Wenn auch der Verkehr auf der Straße mehr als doppelt so viel wie der in der Luft und auf See zur Feinstaubelastung beiträgt, sind Schiffe dennoch Dreckschleudern: Die Queen Mary etwa produziert so viel Feinstaub wie 50.000 Autos bei Tempo 130, haben Forscher berechnet. Der Umstieg von Schweröl auf umweltfreundlicheres Diesel ist möglich, scheitert aber Nabu zufolge an der Profitgier der Unternehmen.

Eine Kreuzfahrt ist demnach alles andere als ein sauberes Ferienvergnügen, weshalb der Nabu der Branche auch den "Dinosaurier des Jahres 2011" verliehen hat. Problematisch ist auch, dass die Riesenschiffe in den Häfen ihre Motoren laufen lassen, um Strom zu produzieren. Nur dort, wo Landstromanlagen vorhanden sind, müssen die Dieselgeneratoren sich nicht drehen. Das aber ist in den meisten europäischen Häfen nicht der Fall.

Dass ausgerechnet das italienische Unglücksunternehmen Costa Crociere sich als "Europas erste grüne Flotte" verkauft und mit dem WWF ein Schutzprogramm für die Meere aufgelegt hat, muss man wohl als Ironie der Geschichte bezeichnen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2012
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