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Gerüchte im Fall Natascha Kampusch:Geheime Kinder? Gefälschte Briefe?

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Natascha Kampusch selbst hat immer bekräftigt, Wolfgang Priklopil alleine habe sie entführt und acht Jahre gefangengehalten. Doch in Österreich wollen die Gerüchte über einen Mittäter nicht verstummen. Ein FPÖ-Abgeordneter soll sich nun gar auf die Suche nach einem gemeinsamen Kind des Opfers und ihres Peinigers gemacht haben.

Cathrin Kahlweit, Wien

Natascha Kampusch und kein Ende: Derzeit überschlagen sich in Österreich wieder mal die Gerüchte über mögliche neue Details zur Entführung der heute 24-Jährigen. Das reicht von einem Kind, das sie mit ihrem Entführer, Wolfgang Priklopil, gehabt haben soll, über neue Details bis zum Vorwurf, es müsse einen zweiten Täter geben. Auch Mutmaßungen, schlampige Ermittlungen seien von der Politik quasi angeordnet worden, um einen Pädophilenring mit prominenten Mitgliedern zu decken, machen weiter die Runde.

Kampusch war 1998 entführt und 3906 Tage lang in einem Verlies festgehalten worden, bis sie sich 2006 selbst befreien konnte. Sie selbst hat immer gesagt, ihr Entführer allein habe die Tat begangen und sie über diese lange Zeit hinweg in Geiselhaft gehalten.

Die Zeitschrift News berichtete, ein FPÖ-Politiker aus Wien habe versucht, illegal an die DNA eines Volksschulkindes heranzukommen; er habe beweisen wollen, dass es sich um ein geheimgehaltenes, gemeinsames Kind von Kampusch und ihrem Entführer handele. Der FPÖ-Mann habe sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Schule begeben und nach Genmaterial gefragt; die Pädagoginnen hätten abgelehnt. Tags darauf habe die Mutter des Mädchens Anzeige bei der Polizei erstattet; ein Test habe ergeben, dass es ihr leibliches Kind ist.

Zweifel an Priklopils Suizid

Weitaus schriller verläuft die Debatte um ein Interview, das der Vorsitzende des Geheimausschusses im Parlament, Werner Amon, (ÖVP) dem Spiegel gegeben hatte. Darin wies er die Einzeltätertheorie zurück. Die Art, wie Priklopils Leiche gefunden worden war - der Entführer hatte sich nach der Flucht von Kampusch vor einen Zug geworfen -, schüre Zweifel an einem Selbstmord; die Leiche sei fast unversehrt gewesen und mit abgetrenntem Kopf gefunden worden. Bei der Obduktion sei der Todeszeitpunkt nicht ermittelt worden. Und Priklopils mutmaßlicher Abschiedsbrief, der nur aus dem Wort "Mama" bestand, stamme nicht von seiner eigenen Hand. Amons Forderung: "Die volle Wahrheit muss ans Licht."

Thomas Mühlbacher, einst Sonderermittler im Fall Kampusch und heute Staatsanwalt in Graz, bezweifelte indes die Fachkenntnis des ÖVP-Mannes. Dem Standard sagte er: "Kritik an den Ergebnissen der damaligen Ermittlungen sollten sachlich fundiert sein", bisher hätten alle Verschwörungstheorien entkräftet werden können.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2012
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