Süddeutsche Zeitung

Nach Flut im Ahrtal:Fast alle zerstörten Häuser dürfen aufgebaut werden

Lesezeit: 2 min

Nur 34 betroffene Gebäude können nicht an Ort und Stelle bleiben. Neue Überschwemmungskarten sollen Orientierung geben. Experten hatten zuvor vor Fehlern beim Wiederaufbau gewarnt.

Von Elisa Britzelmeier

Elf Wochen ist die Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen her, und an der Ahr kann man sie noch überall sehen, an den provisorischen Brücken, an schlammverkrusteten Türen, den Häusern ohne Fenster, den Lücken, wo mal Häuser standen. Viele Anwohnerinnen und Anwohner fragen sich: Wo können wir künftig leben? Und vor allem: wie?

Antworten soll jetzt eine neue Überschwemmungskarte für das Ahrtal geben. 134 Menschen sind hier gestorben, Hunderte wurden verletzt, der Fluss erreichte Pegelstände von sieben, acht Metern. Nun ist klar: Von den zerstörten Häusern sollen fast alle wieder aufgebaut werden können. Die "allermeisten Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen" könnten an Ort und Stelle sanieren, sagte Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, bei der zweiten sogenannten Zukunftskonferenz.

Nur 34 zerstörte oder beschädigte Häuser dürfen im Ahrtal nicht wieder dort aufgebaut werden, wo sie bislang standen. Sie befinden sich der Landesregierung zufolge im besonders gefährdeten Gebiet, bei den Betroffenen gehe es nun darum, einen neuen Bauplatz oder andere Lösungen zu finden.

Anwohnerinnen und Anwohner können die neuen Risikokarten für ihre Gemeinden online einsehen und dort auch nach konkreten Adressen suchen, um herauszufinden, ob sie im Überschwemmungsgebiet liegen. Die Landesregierung kündigte zudem Einwohnerversammlungen zum Wiederaufbau an. An 16 Infopoints sollen Architekten Menschen beraten, etwa wie sie ihre flutgeschädigten Häuser trocknen können oder hochwasserangepasst neu bauen.

Die Gefahr, "dass beim nächsten Hochwasser die Menschen abermals alles verlieren"

Experten hatten zuletzt immer wieder gewarnt, dass wegen der Klimakrise öfter mit Extremwetter zu rechnen sei - mit Hochwasser und Sturzfluten genauso wie mit Dürren. Forscher, Umweltverbände und der Städte- und Gemeindebund sprachen sich deshalb zuletzt für einen Wiederaufbau mit Bedacht aus und warnten vor Fehlern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte vor einem "fatalen Irrweg", sollten zerstörte Gebäude an Ort und Stelle wiederaufgebaut werden. Das berge die Gefahr, "dass beim nächsten Hochwasser die Menschen abermals alles verlieren."

Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern forderte in einer Veröffentlichung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, die richtigen Lehren aus der Flutkatastrophe zu ziehen. Bei Sanierung und Wiederaufbau gelte es, "die Folgen des Klimawandels abzuschätzen und Bemessungswerte entsprechend zu erneuern." Zur Flutkatastrophe im Ahrtal war es in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli nach extremen Starkregen gekommen.

Ministerpräsidentin Dreyer sprach davon, dass die Entwicklung eines Hochwasservorsorgekonzeptes für das gesamte Ahrtal wichtig sei, das auch den nordrhein-westfälischen Teil des Flusses einbeziehe: "Denn das Hochwasser hält sich nicht an Landesgrenzen."

Bund und Länder haben einen Wiederaufbaufonds von 30 Milliarden Euro bereitgestellt, davon soll gut die Hälfte nach Rheinland-Pfalz fließen. Dreyer sagte, von den seit vergangenem Montag eingegangenen mehr als 5000 Anträgen bezögen sich die meisten auf Schadenersatz für verlorenen Hausrat. Der Wiederaufbau von Privathäusern kann mit bis zu 80 Prozent der Kosten gefördert werden, in Härtefällen mit bis zu 100 Prozent. Mit der Formulierung "bis zu" haben viele Menschen Schwierigkeiten, wie vor Ort immer wieder zu hören ist - weil sie gern konkreter wüssten, womit sie rechnen können.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5427523
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.