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Flugzeugunglück:Was über den Germanwings-Absturz bisher bekannt ist

Lesezeit: 2 min

Die Auswertung der zweiten Blackbox bestätigt den Verdacht: Der Copilot hat die Germanwings-Maschine mit der Flugnummer 4U9525 wohl absichtlich zum Absturz gebracht. Was wir bislang wissen - ein Überblick.

Was wissen wir über Flug 4U9525?

Die Germanwings-Maschine befand sich am 24. März 2015 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Sie verließ die katalanische Stadt um 10.01 Uhr, um 11.55 Uhr sollte sie in Deutschland landen. Den letzten Kontakt zwischen Flugzeug und Flugsicherung gab es um 10.30 Uhr. Danach begab sich die Maschine in einen Sinkflug, reagierte nicht mehr auf Funksignale und verschwand schließlich vom Radar. In den französischen Alpen zerschellte die Maschine, alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben.

Was wissen wir über die Absturzursache?

Die französische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Copilot Andreas Lubitz die Maschine absichtlich zum Absturz gebracht hat. Die Auswertung der beiden Blackboxes erhärtet diese These. Demnach verließ der Kapitän des Flugzeugs das Cockpit, um auf die Toilette zu gehen. Als er zurückkam, war die Cockpittür von innen verschlossen. Lubitz hatte sich eingesperrt, auf Rufe und Klopfen des Kapitäns reagierte er nicht. Im Cockpit, so schilderte es die französische Staatsanwaltschaft, herrschte während der letzten acht Minuten vor dem Absturz Stille. Lubitz sprach kein Wort mehr. Auf dem Stimmrekorder hört man ihn atmen, bis die Aufnahme abbricht und die Maschine zerschellt.

Was lehrt die Auswertung der zweiten Blackbox?

Eine erste Auswertung der zweiten Blackbox erhärtet die These, wonach Lubitz die Maschine absichtlich zum Absturz brachte. Wie die französische Untersuchungsbehörde Bea in Paris mitteilte, habe sich bestätigt, dass der im Cockpit Anwesende den Airbus A320 gezielt in den Sinkflug brachte. Der Autopilot sei so eingestellt worden, dass das Flugzeug auf 100 Fuß - umgerechnet etwa 30 Meter - hinuntergeht. Zugleich sei der Airbus mehrfach beschleunigt worden.

Was wissen wir über Andreas Lubitz?

Bevor Lubitz vor etlichen Jahren seine Fluglizenz erhielt, war er in psychotherapeutischer Behandlung, wie die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mitteilte. Auch eine Suizidgefährdung wurde damals bei ihm diagnostiziert. Er hat deswegen auch seine Pilotenausbildung für mehrere Monate unterbrochen, wie die Lufthansa bestätigte. Danach konsultierte Lubitz immer wieder Neurologen und Psychiater, um seine Krankheit behandeln zu lassen, ohne dass dabei allerdings Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden sei.

Weitere Ermittlungen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ergaben, dass der 27-Jährige vor dem Flugzeugabsturz im Internet über Suizid recherchiert und nach Informationen über Cockpit-Türen gesucht hat. Aus dem Browserverlauf eines Tabletcomputers, den die Ermittler in Lubitz' Wohnung fanden, ging hervor: In den Tagen vor dem Absturz informierte sich Lubitz im Internet über "medizinische Behandlungsmethoden" und "Arten und Umsetzmöglichkeiten einer Selbsttötung" - so formulierte es die Staatsanwaltschaft, ohne konkrete Suchbegriffe zu nennen.

Was wusste die Lufthansa?

Die Fluggesellschaft erklärte, während der Ausbildung von Lubitz von einer vorausgegangenen Depression gewusst zu haben. Dass er am Tag des Flugzeugabsturzes krankgeschrieben war, verschwieg der Pilot der Lufthansa offenbar. Die Ermittler fanden in Lubitz' Wohung ein zerrissenes Attest.

Was wissen wir über ein mögliches Motiv?

Hinweise auf ein Motiv haben die Behörden nach wie vor nicht gefunden. Weder eine Ankündigung noch ein Tatbekenntnis von Andreas Lubitz sind bislang aufgetaucht. Auch im unmittelbaren persönlichen und familiären Umfeld oder am Arbeitsplatz gab es keine Hinweise auf ein mögliches Motiv.

Welche Konsequenzen hat die Tragödie?

Seit dem Flugzeugunglück beraten Expertenstäbe der Branche über mögliche Konsequenzen. Kurz nach dem Absturz beschlossen die deutschen Airlines eine Zwei-Personen-Regel für das Cockpit: Demnach müssen auf Flügen deutscher Fluggesellschaften künftig ununterbrochen zwei Crewmitglieder im Cockpit sitzen.

Eine neue Expertengruppe der Luftfahrtbranche soll außerdem über mögliche Änderungen am Türschutzmechanismus in Cockpits beraten sowie über medizinische und psychologische Checks für Piloten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will eine Ausweispflicht auf allen Flügen im Schengen-Raum prüfen. Dass die Identität der Fluggäste nicht systematisch überprüft wird, betracht er als "riesiges Sicherheitsproblem". Verhindert hätte eine solche Ausweiskontrolle den Absturz in diesem Fall nicht.

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