Flugsicherheit:Comeback der Passkontrolle?

Charterflug ab Fliegerhorst Nordholz

Passagiere steigen in ein Flugzeug. Archivbild vom 22. Januar 2001.

(Foto: dpa/dpaweb)
  • Als Konsequenz aus dem Absturz der Germanwings-Maschine erwägt Innenminister de Maizière eine Ausweispflicht auf allen Flügen im Schengen-Raum.
  • Bislang sind Fluggesellschaften nicht dazu verpflichtet, bei Reisen im Schengen-Raum die Identität der Passagiere zu überprüfen.
  • Die Polizei kann bereits jetzt jederzeit von jedem den Ausweis verlangen. An den Grenzen im Schengen-Raum tut sie das aber nur sporadisch und lagebedingt.

Von Julia Rathcke, Anna Fischhaber und Markus C. Schulte von Drach

Hier sieht de Maizière ein Sicherheitsproblem

Beim Absturz des Airbus A320 in den französischen Alpen kamen in der vergangenen Woche 150 Menschen ums Leben. Nach dem Absturz habe man bei allen Passagieren und Crew-Mitgliedern überprüfen wollen, "ob sie uns als Gefährder bekannt sind - weil wir wissen wollten, ob es sich um einen Terroranschlag handelt", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière der Bild-Zeitung. "Wir mussten aber feststellen, dass zunächst gar nicht klar war, wer überhaupt in dem Flugzeug saß."

Wenn ein Passagier sein Ticket an jemanden abtrete, werde nur der Name des ersten Passagiers erfasst. "Das ist ein riesiges Sicherheitsproblem, und wir müssen ernsthaft überlegen, ob das in Zukunft wirklich noch so bleiben kann", so der Politiker. Als Konsequenz aus der Flugzeugkatastrophe will er nun eine Ausweispflicht auf allen Flügen im Schengen-Raum prüfen. Denn nach dem Wegfall der Grenzkontrollen wird auch die Identität der Fluggäste nicht mehr systematisch überprüft.

So funktioniert das Schengener Abkommen

Das Schengener Übereinkommen, das Innenminister de Maizière für die Schwierigkeiten der Ermittler verantwortlich macht, hat das Ziel, Personenkontrollen an den Grenzen zwischen den beteiligten Ländern abzubauen. Die Bürgerinnen und Bürger der meisten EU-Länder sowie einiger Nicht-EU-Staaten wie der Schweiz brauchen an ihren gemeinsamen Grenzen keinen Personalausweis oder Reisepass mehr vorzuzeigen. Ausnahmen sind Großbritannien, Irland, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern.

Statt die Grenzen zwischen den Vertragsparteien mit Kontrollen zu überwachen, werden die Außengrenzen des Schengen-Raumes stärker gesichert und die Sicherheitsbehörden der Länder arbeiten enger zusammen. Zudem ermöglicht das Abkommen, aufgrund von bestimmten Umständen vorübergehend wieder Grenzkontrollen einzuführen.

Das haben verschiedene Länder etwa während sportlicher Großereignisse wie den Fußball-Europameisterschaften getan. Deutschland kontrollierte die Grenzen bei der WM 2006. Auch während politischer Gipfeltreffen haben einige Länder wieder im großen Stil kontrolliert - Deutschland etwa während der G8-Gipfel in Köln 1999 und in Heiligendamm 2007, Frankreich und Deutschland beim Nato-Gipfel 2009, Italien während des G8-Gipfels in Genua 2001.

Warum man dennoch nicht ohne Ausweis reisen kann

Die Reiseerleichterungen für Bürger im Schengen-Raum bedeuten aber nicht, dass Reisende ohne Ausweis oder Reisepass einfach in ein anderes EU- oder Schengen-Land fahren oder fliegen können. Alle Reisenden sind verpflichtet, sich in diesen Ländern jederzeit ausweisen zu können. Führerscheine oder Kreditkarten reichen nicht aus. Besondere Regeln gelten außerdem für Drittstaatenangehörige, die mit einem Visa unterwegs sind oder als Asylbewerber mit einer Aufenthaltserlaubnis.

Polizeiliche Personenkontrollen sind zudem immer und überall möglich. Polizeibeamte haben das Recht, die Identität eines Menschen zu überprüfen, in dem sie den Ausweis verlangen. In Deutschland gibt es zwar keine Pflicht, dieses Dokument bei sich zu tragen, allerdings muss man ihn auf Verlangen vorlegen.

Keine systematische Überprüfung der Fluggäste

Auch bei Flügen im Schengen-Raum kann die Bundespolizei stichprobenartig kontrollieren. Um unerlaubte Einreisen zu verhindern, darf sie etwa "jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen".

An den Flughäfen in München und Stuttgart wurden in der Vergangenheit auf diese Weise zum Beispiel etliche Passagiere bei der Einreise etwa aus Griechenland oder Italien überprüft, um Flüchtlinge aufzuspüren. In Spanien ist das nach wie vor gängige Praxis.

Systematische Passkontrollen gibt es im Schengen-Raum aber am Flughafen nicht mehr, erklärt eine Sprecherin der Bundespolizei. Bei Flügen beispielsweise zwischen Berlin und Paris oder von Barcelona nach Düsseldorf gebe es nur Luftsicherheitskontrollen, aber keine systematische Überprüfung der Identität der Fluggäste.

Wie Fluglinien kontrollieren

Auch die Fluggesellschaften kontrollieren nur sporadisch. Die Lufthansa etwa führt keine Passkontrollen bei Flügen innerhalb des Schengen-Raums durch. Dies sei allein die hoheitliche Aufgabe der Bundespolizei und nicht der Flugverkehrsgesellschaften, erklärte ein Sprecher auf Anfrage von SZ.de. Bei einem im Internet gebuchten Ticket gehe man davon aus, dass diese Person auch den Flug antrete. Andernfalls verstoße sie gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen und mache sich strafbar. Kontrolliert wird das nicht. "Wer letztendlich im Flugzeug sitzt, kann Lufthansa nicht mit Sicherheit sagen", so der Sprecher.

Bei Condor wird beim Check-in zwar der Personalausweis mit dem Ticket verglichen. Checkt der Kunde online ein, fällt diese Überprüfung aber ersatzlos weg. Ähnliche Informationen hat der Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), in dem die großen deutschen Fluglinien und Flughäfen organisiert sind: Ausweiskontrollen im Schengen-Raum gibt es demnach nur in Ausnahmesituationen. Prinzipiell seien Flughafen und Fluggesellschaften zu dieser Kontrolle nicht verpflichtet.

Wo Kontrollen möglich wären

Sollte auf allen Flügen im Schengen-Raum wieder eine Ausweispflicht eingeführt werden, stellt sich dem BDL zudem die Frage, wo eine solche Überprüfung stattfinden könnte. Nicht am Schalter, sagt der Sprecher. Zwischen Flughafen und Passagier gebe es immer weniger Kontakt, weil immer mehr Kunden online einchecken. "Eine Überprüfung könnte also nur die Polizei im Sicherheitsbereich oder die Airline am Gate vornehmen."

Verhindert hätte eine solche Ausweiskontrolle den Absturz wohl nicht. Nach bisherigen Ermittlungen soll der Kopilot das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: