Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":Nackt im Labyrinth

Lesezeit: 2 min

Sie kamen aus Hessen, Berlin und sogar aus der Schweiz: Dutzende FKK-Fans sind am Sonntag nach Sachsen gefahren, um unbekleidet durch einen Irrgarten zu spazieren. Warum bloß?

Interview von Marcel Laskus

Die Sachsen sind für ihren eher entspannten Umgang mit der Freikörperkultur bekannt. Was aber am Wochenende in Kohren-Sahlis im Landkreis Leipzig passierte, gehört auch für diesen Landstrich zu den unbekleideten Zusammenkünften der ungewöhnlichen Art. Der "Irrgarten der Sinne", geleitet von Jörg Günther, lud Interessierte dazu ein, das Heckenlabyrinth ausnahmsweise nackt abzuschreiten. Und die Leute kamen.

SZ: Herr Günther, können wir davon ausgehen, dass alle Besucher wieder den Weg nach draußen gefunden haben?

Jörg Günther: Natürlich können Sie das. Die Besucher haben den Ausweg alle wieder gefunden, ich habe es sogar kontrolliert.

Es besteht also kein Risiko, dass heute im Irrgarten ein Angezogener unvermittelt einem Nackten gegenübersteht?

Nein!

Was hat sich am Wochenende zwischen den Hecken abgespielt?

Das kann ich nicht sagen, weil ich draußen gestanden habe. Aber es waren genug Leute da. 78 Menschen sind insgesamt gekommen. Die Leute, die sich da treffen, das ist eine richtige Community, die sich einmal im Jahr trifft. Die kommen aus Berlin, Hessen, Brandenburg und sogar aus der Schweiz. Die haben eine Menge Spaß. Es gibt jedes Jahr neue Spiele, die man im Irrgarten erkunden kann.

Nackt sein in der Öffentlichkeit, das kennt man von Baggerseen oder Fetisch-Clubs. Da gehört es dazu, von anderen gesehen zu werden. In einem Irrgarten steht man nur zwei Meter hohen Hainbuchen-Hecken gegenüber. Warum tut man das?

In Deutschland gibt es Nacktwandersteige, die bis heute beliebt sind. Da kann man sich frei und nackt in der Natur bewegen. Aber mittlerweile sind Handys überall präsent, manche sorgen sich deshalb, von anderen fotografiert zu werden. Im Irrgarten geben wir einen geschützten Raum, um nackt in der Natur zu sein.

Sie haben in den 16 Jahren, in denen Sie den Irrgarten leiten, etliche angezogene und nackte Besucher erlebt. Mit dieser Empirie im Gepäck: Stärkt das Nacktsein den Orientierungssinn?

Das glaube ich nicht. Es stärkt aber andere Sinne, denn man fühlt sich mit der Natur verbundener. Man spürt auf der Haut den Regen, den Wind, die Sonne. Das ist nackt etwas ganz anderes, als wenn man angezogen ist. Aber schneller aus dem Irrgarten raus ist man nicht. Es dauert seine Zeit.

Sie hatten Jacke und Hose an. Kamen Sie sich dabei spießig vor?

Nein, ich bin kein Spießer. Erstens waren am Wochenende kühle 18 Grad. Zweitens habe ich die Besucher am Parkplatz eingewiesen. Der Parkplatz befindet sich im öffentlichen Raum, deshalb war ich lieber angezogen. Meine Frau und meine Angestellten waren auch angezogen, die machen den Imbissbereich. Und wer mit Essen zu tun hat, sollte angezogen sein. Aber natürlich bin ich überzeugter FKK-Mensch, vor allem beim Baden. Die nasse, kalte Badehose willst du beim zweiten Mal Reingehen ins Wasser nicht wieder anziehen.

Stimmt das Klischee, dass der Sachse für FKK besonders offen ist?

Nicht nur der Sachse. Der Ostdeutsche an sich ist offen dafür. Zwar gibt es in Sachsen nur zwei FKK-Vereine und in Nordrhein-Westfalen etliche mehr. Das liegt aber daran, dass es in der DDR gar keine Vereine gebraucht hat. In der DDR bist du an die Ostsee gefahren und hast dich einfach ausgezogen. Sandburg neben Sandburg lagen die Leute nebeneinander, alle nackt. Das hält sich bis heute.

Weitere Folgen der SZ-Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

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