Süddeutsche Zeitung

EM und Mode:Zweiteiler gegen Dreiteiler

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So eine Europameisterschaft ist ja immer auch eine Herren-Modenschau. Als Models fungieren meist die Trainer (und die ganze italienische Bank). Wer kann Mancini und Co. noch in den Schatten stellen?

Von Felix Haselsteiner

Dass England in diesem Jahr im Halbfinale der Europameisterschaft steht, ist angesichts der Kleiderordnung von Gareth Southgate durchaus eine Überraschung. Der Nationaltrainer nämlich verzichtete diesmal auf ein Stilelement, das für ihn und seine bisherige Laufbahn prägend war: seine Weste.

Bei der Weltmeisterschaft 2018 hatte Southgate, 50, zuvor eher als beinharter Innenverteidiger bekannt denn als Fashion-Icon, für Aufsehen gesorgt: Im Dreiteiler stand er am Spielfeldrand, mit breiter Krawatte und einer Weste, die so elegant wie einschnürend wirkte, zumindest beim Dirigieren der englischen Nationalmannschaft. Southgate und England schafften es dennoch bis ins Halbfinale und lösten auf dem Weg dahin einen Boom aus, der britische Kleidungshersteller Marks & Spencer etwa verkaufte 35 Prozent mehr Westen als vor dem Turnier.

Dieses Jahr scheint es, als habe Southgate sich einem gemeinschaftlichen Trend angeschlossen, und nein, die Rede ist nicht davon, dass er seine Mannschaft - wie so viele - in einem System mit Fünferkette auflaufen lässt. Southgate blieb westenfrei und trug stattdessen Zweiteiler, einen optischen Akzent setzte er mit einer dunkelblauen Baumwoll-Krawatte mit weißen Punkten.

Einen Trend wird er damit dieses Mal vermutlich nicht auslösen, denn Southgate hat bei der Europameisterschaft, die immer auch ein wenig als Herren-Modeschau funktioniert, starke Konkurrenz.

Da wären der Schweizer Trainer Vladimir Petkovic mit seiner kurzen, roten Krawatte und einem gut geschnittenen blauen Anzug.

Oder Polens Trainer Paulo Sousa, der beim Auftaktspiel gar helle Hose zu dunkelblauem Sakko und Muster-Krawatte kombinierte.

Uneingeschränkter Favorit sind aber - mal wieder - die Italiener: Roberto Mancini und sein gesamtes Team sind mit hellgrauen Anzügen von Armani ausgestattet, die ihnen alle Möglichkeiten lassen. Man kann dazu ein dunkelblaues Hemd genauso tragen wie ein weißes mit Krawatte und nach dem Spiel theoretisch noch in die Oper, in die Osteria oder in eine mediterrane Strandbar gehen.

Noch der letzte Zeugwart auf der italienischen Bank sei besser bekleidet als er auf seiner eigenen Hochzeit, witzelte ein Beobachter auf Twitter. Mancini ist mit Abstand der eleganteste Anzugträger dieser Europameisterschaft, doch Southgate könnte ihn noch stoppen: mit Weste und Fünferkette im Finale.

Jogi Löws Sakko kam eigentlich nur zum Einsatz, als er es nach dem Achtelfinal-Aus über den Arm legte und in die Katakomben des Wembley-Stadions trug. Deutschlands Ex-Nationaltrainer blieb puristisch beim Hemd, dabei hätte er heimische Inspirationsmöglichkeiten gehabt: Im Studio der ARD-Sportschau saßen mit Kevin-Prince Boateng und Moderator Alexander Bommes zwei Träger von Dreiteilern. Boateng mit buntem Muster und Krawatte, Bommes mutigerweise nur mit T-Shirt unter der Weste. Auch eine Beobachtung dieses Turniers: dass im deutschen Fernsehen ausgerechnet eine Hommage an den Trainer zu sehen war, dessen Mannschaft Deutschland besiegte.

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