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Reaktorsicherheit in Japan:Akku leer im AKW

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Atomkraftwerke wie Fukushima-1 müssen seit der Katastrophe von Kobe viel aushalten können - doch für ein Beben der Stärke 8,9 waren sie nicht gerüstet. Wieso haben die Kühlsysteme Notbatterien, deren Energie nur für wenige Stunden reicht?

Marlene Weiss

Zuerst klang es, als sei alles unter Kontrolle: Vier Stunden nach dem Beben teilte die Wiener UN-Atomenergiebehörde IAEA mit, dass die vier dem Epizentrum am nächsten gelegenen Reaktoren sicher abgeschaltet seien. In einem Turbinengebäude des Atomkraftwerks Onagawa in der Provinz Miyagi brach zwar ein Feuer aus, es wurde jedoch schnell gelöscht. Und im Atomkraftwerk Fukushima war mindestens ein Kühlsystem ausgefallen, aber die japanische Regierung erklärte, dass die Reaktoren des Atomkraftwerks dicht seien, es gebe kein Leck.

Dennoch rief Ministerpräsident Naoto Kan kurz nach 20 Uhr Ortszeit, fünf Stunden nach dem Erdbeben, Atomalarm aus. Zum Austritt von Radioaktivität sei es nicht gekommen, es sei nur eine Vorsichtsmaßnahme, sagte Kabinettssekretär Yukio Edano. Doch im Umkreis von erst zwei, dann drei Kilometern um Fukushima-I wurden die Anwohner aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Mehr als 2000 Menschen sind von der Evakuierung betroffen. Fukushima liegt etwa 250 Kilometer nördlich von Tokio an der japanischen Ostküste.

Der Grund für die Besorgnis sind die Kühlsysteme der Fukushima-Reaktoren. Offenbar sind zumindest einige davon ausgefallen. Doch dass die Kühlung weiter funktioniert, ist entscheidend, selbst wenn ein Atomkraftwerk sich bei einem Störfall ordnungsgemäß abschaltet, so wie das die japanischen Reaktoren getan haben.

Die atomare Zerfallskette ist nicht zu stoppen

Denn die atomare Zerfallskette lässt sich nicht auf Knopfdruck stoppen, sie setzt sich fort. Dabei entsteht Wärme - tagelang. Die klingt zwar langsam ab, doch wenn die Kühlsysteme ausfallen, kann der Reaktor überhitzen, mit Folgen bis hin zu einer Kernschmelze. Das geschah 1979 im Atomkraftwerk Three Mile Island 2 in Pennsylvania.

"Aus diesem Grund haben Atomkraftwerke nicht ein, sondern bis zu acht Kühlsysteme", sagt Sören Kliem, der am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf nukleare Störfälle analysiert. Er geht daher davon aus, dass zumindest ein Teil der Systeme auch in Japan weiter funktionieren wird. Hinzu komme das "Containment", das alle modernen Reaktoren haben: Das Innere des Kraftwerks ist immer von einer drucksicheren Hülle aus Stahl und Beton umgeben, die im Notfall die Radioaktivität einschließt.

Problematisch scheint jedoch die Energieversorgung des Notkühlsystems des Fukushima-Kraftwerks zu sein. Wie die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln unter Verweis auf japanische Angaben am Freitagnachmittag erklärte, laufe es nur noch im Batteriebetrieb, und die Batterien lieferten nur noch Energie für wenige Stunden.

Die Zweifel der Umweltschützer

Die Umweltorganisation Greenpeace befürchtet eine nukleare Katastrophe. Den Entwarnungen könne nicht getraut werden, sagte der zuständige Sprecher Niklas Schinerl am Freitag. Man habe deshalb ein Team in das Katastrophengebiet entsandt, um einen objektiven Informationsfluss sicherzustellen.

Die Zweifel von Greenpeace an der Informationspolitik von japanischen Behörden und Kraftwerkbetreibern sind verständlich: Im Juli 2007 wurden nach einem Beben in der Provinz Niigata etwa 50 technische Defekte registriert, die der Betreiber zunächst nicht gemeldet hatte. Unter anderem war radioaktiv belastetes Wasser ins Meer geflossen.

Japan startete sein Atomenergieprogramm bereits im Jahr 1954 und baut es bis heute aus. Derzeit decken die 54 japanischen Atomreaktoren 30 Prozent des Strombedarfs, bis 2017 sollen es 41 Prozent sein. An die Sicherheit der Kraftwerke stellt Japan hohe Anforderungen. Seit dem verheerenden Erdbeben in Kobe 1995 müssen alle Reaktoren Beben der Stärke 7,75 aushalten, in Risikogebieten sogar bis 8,25. Das Beben vom Freitag hatte aber eine Stärke von 8,8 bis 8,9.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2011
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