Süddeutsche Zeitung

Kuriose Verwechslung:Croissant im Baum

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Die Tierrettung in Krakau rückt wegen eines Hörnchens aus. Aus diesem Anlass ein Loblied auf Plundergebäck aller Art.

Von Martin Zips

Jüngst tauchte im Fernsehen in einem sehr ernsten Zusammenhang ein Mann mit Nachnamen Croissant auf, und - was soll man sagen - fortan fiel es einem wirklich schwer, sich auf das eigentliche Thema des Beitrags zu konzentrieren. "Croissant", das folgerte man noch kurz vor dem Schlafengehen, ist offenbar etwas, das einen zum Lachen bringt. Nur: Warum?

In Krakau hat eine Frau gerade den Tierschutzverein angerufen, weil sie schon seit Tagen eine mysteriöse Kreatur im Fliederbaum vor ihrem Haus zu beobachten glaubte. Die Frau dachte an einen verletzten Raubvogel oder einen Leguan und verzichtete fortan auf das pandemiebedingt dieser Tage sehr zu empfehlende Durchlüften ihrer Wohnung. Letztlich aber war es nur ein etwas durchweichtes Croissant, welches die Tierschützer aus den Ästen bargen.

Nun hätte man, wenn schon Gebäck, in einem polnischen Fliederbaum statt eines Croissants doch eher einen Obwarzanek vermutet, diesen herrlichen polnischen Brotkranz. Oder ein Rogalik, ein traditionelles Marmeladenhörnchen. Auch stellt sich die Frage, aus welcher Art Teig das Krakauer Croissant wohl war, dass es (es war dieser Tage auch dort wirklich bitterkalt und regnerisch) seine Konsistenz derart gut bewahrte.

Die Verwechslung mit Gebäck jedenfalls hat meist deutlich harmlosere Folgen als etwa die mit heimischem Wild, was vor ein paar Jahren für ein Liebespärchen im brandenburgischen Havelland bei einem Treffen mit einem Jäger gar nicht gut ausging. Beim Croissant und seiner geschwungenen Form indes denkt man sogleich an das Horn des Widders oder an das Lied "Des croissants de soleil", in dem eine kanadische Künstlerin Hefehörnchen auf diese Art besingt: "Mit dem Geschmack von Honig und Tau/Auf einem Laken und einem Kissenbezug/Das lässt dich träumen." Puh, das tut es!

Letztlich aber war's ja, rein formal, eh nur ein österreichisch-ungarisches Kipferl, welches da in Krakau im Fliederbaum lag. Von Wiener Bäckern einst erfunden, welche den Tunnelbau der türkischen Belagerer unter der Stadtmauer nachts gehört hatten, rechtzeitig Alarm schlugen und sich anschließend aus purer Freude ein paar Halbmonde buken. Eben solche nahm Marie-Antoinette später mit nach Frankreich, wo man die Hörnchen mit touriertem Plunderteig verfeinerte. Doch Vorsicht, was die Form angeht! Nicht nur Druiden mögen Sicheln. Auch Chronos, der griechische Gott der Zeit. Und die läuft ab.

Daher sich bitte auf jeden Fall sofort Hilfe holen, falls mal wieder eine Mehlspeise im Flieder hängt. Man kann ja nie wissen.

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