Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Brite hustet Polizisten absichtlich an - und muss ins Gefängnis

Lesezeit: 2 min

Von Anna Fischhaber und Max Sprick

Eine Meldung aus dem Polizeibericht: In London erwischt ein Polizist auf Patrouille einen 55-Jährigen, der gerade ein Auto zu stehlen versucht. Der Verdächtige wehrt sich. Er wehrt sich so, wie man es vor der Coronakrise nicht kannte: Er ruft dem Polizisten zu: "Ich habe Covid und ich werde dir ins Gesicht husten und du wirst es auch bekommen." Wie es von Scotland Yard später heißt, überwältigen herbeieilende Sicherheitskräfte schließlich den Mann.

Ein britisches Gericht hat ihn nun zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Es sprach damit die landesweit offenbar erste Haftstrafe im Zusammenhang mit der Pandemie aus. Ein Vorgesetzter des angehusteten Polizisten sagte, er hoffe, dass die Strafe die Botschaft vermittle, "dass so etwas nicht toleriert wird".

Auch in den Niederlanden setzen die Behörden auf Abschreckung: Ein 23-Jähriger war Schlangenlinien gefahren und hatte einen Alkoholtest verweigert, als Beamte ihn aufhielten. Bei seiner Festnahme hustete er den Polizisten ins Gesicht und behauptete, das Virus zu haben. Ein Richter sprach ihn in Den Haag wegen Bedrohung mit dem Tod oder schwerer Misshandlung schuldig. Nun muss der Mann zehn Wochen in Haft. Es sei besonders in der jetzigen Corona-Krise "verwerflich", dass der Mann Einsatzkräfte infizieren wollte, sagte der Richter. "Gerade jetzt verdienen unsere Hilfskräfte unseren Schutz."

In Deutschland gibt es bislang keine vergleichbare Verurteilung. Der Straftatbestand "Anhusten" existiert nicht, die Handlung an sich aber sei definitiv mehr, als nur eine Ordnungswidrigkeit, teilt die Münchner Polizei auf Anfrage mit. "Ob es sich dabei um versuchte oder gar gefährliche Körperverletzung handelt, würde dann im jeweiligen Verfahren geklärt." In München habe es noch keine Anzeige in diese Richtung gegeben. Auch die Polizeidienststellen anderer deutscher Großstädte können bisher keine Anzeigen melden.

Hust- und Spuckangriffe können als gefährliche Köperverletzung geahndet werden

Und doch passen die Urteile aus dem Ausland zum in Deutschland in der jüngsten Kriminalstatistik festgestellten Trend: Die Gewalt gegen Polizeibeamte ist im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozentpunkte gestiegen. Häufig in Form von Widerstand, wenn Beamte zum Beispiel Personalien feststellen oder bestimmte Regeln durchsetzen wollen.

Die Berliner Polizei beklagte zu Beginn dieser Woche genau das: Es sei bei Kontrollen zu vereinzelten Übergriffen mit Anspucken und Anhusten gegen Polizisten gekommen. Zwar verhalte sich der Großteil der Bevölkerung vorbildlich, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik der Deutschen Presseagentur. "Wir haben aber einzelne Ausnahmen, wo wir angespuckt oder angehustet werden." Man werde diese Übergriffe als gefährliche Körperverletzung ahnden. Auch die Polizei in Mannheim warnte auf Twitter und Facebook: "Anhusten und Corona rufen ist kein Spaß! Wir verfolgen das konsequent".

Der SWR berichtete, es habe im Raum Mannheim vier Vorfälle gegeben, bei denen keine Polizisten, sondern ältere Menschen von Jugendlichen angehustet wurden. Im Münsterland wird bereits gegen einen unter Corona-Verdacht stehenden Mann ermittelt, er soll absichtlich einen Polizisten angehustet haben. Die Beamten waren zu einer Wohnung in Greven ausgerückt, weil von dort jemand zu einer Corona-Party aufgerufen hatte. Ein 25-Jähriger verhielt sich aggressiv, schließlich hustete er die Polizisten an und erklärte er, er stehe unter Quarantäne, weil er Kontakt zu einem mit dem Virus Infizierten gehabt habe - Angaben, die sich als korrekt herausstellten. In Mülheim an der Ruhr sollen drei betrunkene Jugendliche in Richtung Vorbeigehender gespuckt haben.

Zwei Dinge könne der Mensch nicht verbergen, sagt man so schön: Die Liebe und den Husten. Doch was als altes Sprichwort witzig klingen mag, ist in Corona-Zeiten strafbar - und möglicherweise sogar lebensgefährlich.

(Mit Material der dpa)

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