Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Dann gibt's auch mal 'nen schönen Schnaps"

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In Leverkusen-Edelrath geben die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme in einem ganz speziellen Wahllokal ab: im Wohnzimmer des Ehepaars Fabrizius.

Interview von Julius Bretzel

Am Tag der Bundestagswahl wird es im Wohnzimmer von Johannes Peter Fabrizius und seiner Frau Sybille wieder recht voll werden. Denn seit zwölf Jahren baut das Rentnerpaar aus Leverkusen seine Wohnung regelmäßig in ein offizielles Wahllokal um.

SZ: Herr Fabrizius, wie kamen Sie auf die Idee, zu Hause ein Wahllokal zu eröffnen?

Johannes Peter Fabrizius: Früher haben wir im Nachbardorf in einer Gastwirtschaft gewählt. Das hat sich aber wohl nicht mit dem Mittagessensgeschäft vertragen. 2009 stand man plötzlich ohne Wahllokal da. Als mir ein Freund, der Vorsitzender im Nachbarschaftsverein ist, beim Kegeln davon erzählte, meinte ich: Wo ist das Problem? Ich rede mit meiner Frau, dann können wir das Wohnzimmer ausräumen. Da liegen nur Fliesen, kein Teppichboden, kein Parkett. Da wird nichts groß zerstört. Seitdem machen wir das.

Wie viele Wahlen wurden denn schon auf diesem Fliesenboden abgehalten?

Zwei Europawahlen, zwei Kommunalwahlen, jetzt dann die vierte Bundestagswahl und nächstes Jahr die dritte Landtagswahl.

Und freuen Sie sich auf die kommende Bundestagswahl?

Wir freuen uns jedes Mal. Auf die Wahl und vor allem auf die Wahlparty, die es traditionell nach Wahlschluss gibt.

Mit wie vielen Wählerinnen und Wählern rechnen Sie in Ihrem Wohnzimmer?

In dem Wahlkreis sind rund 500 Leute stimmberechtigt. Das sind die Bewohner von vier Dörfern am östlichen Rand von Leverkusen. Ich schätze, dass etwas mehr als 200 vorbeikommen werden, die anderen sind Nichtwähler oder Briefwähler.

Muss man dann vor der Tür die Schuhe ausziehen?

Nein, das ist wie in jedem anderen Wahllokal auch. Die kommen rein und sind auch schnell wieder raus.

Bleibt nicht auch mal jemand zum Kaffee?

Nein, zum Kaffee nicht. Aber Zeit für ein Schwätzchen ist immer. Da wird die Nachbarschaft gepflegt. Und manch einer fragt schon mal, ob wir Schnaps da haben.

Und?

Dann wird eine Flasche aus dem Schrank rausgeholt, dann gibt's auch mal 'nen schönen Schnaps. Eine Schale mit Keksen und Bonbons steht auch bereit. Manche greifen sogar bei den belegten Brötchen für die Wahlhelfer zu.

Und das Kreuz wird auf Ihrem Couchtisch gemacht?

Nein, wir bauen zwei Bierzelttische mit Sichtschutz, und beim Fenster wird die Jalousie runtergelassen. Dass hinten draußen keiner schauen kann, wer wo sein Kreuz macht. Und davor gehen wir einmal am Bücherschrank entlang und gucken, ob darin verfängliche politische Literatur steht. Die Bücher entfernen wir am Wahltag, sodass uns niemand Wahlbeeinflussung vorwerfen kann.

Was verwenden Sie als Wahlurne?

Eine offizielle Wahlurne von der Stadt Leverkusen. Die lagert gemeinsam mit den Sichtschutz-Wänden bei uns im Keller. Wenn die Wahl beginnt, schauen alle Beteiligten in die Wahlurne rein, dass die auch tatsächlich leer ist, dann wird sie vom Wahlvorsteher abgeschlossen. Nicht, dass ich da was reinmogle. Wir sind aber absolut neutral. Deshalb findet die Wahlparty danach auch ganz unabhängig davon statt, wie das Ergebnis ist.

Dürfen Sie und Ihre Frau im eigenen Wohnzimmer auch selbst wählen?

Ja sicher. Wir gehören morgens zu den Ersten, die ihre Stimme in die Urne werfen.

Und am Abend zählen Sie auch selbst aus?

Ja, um 18 Uhr wird ausgezählt und die schnelle Meldung telefonisch dem Kreiswahlleiter mitgeteilt. Und anschließend fertigen wir eine Niederschrift über die Wahlhandlung und die Ergebnisse. Das ist öffentlich. Damit auch alles offen und demokratisch vonstattengeht. Es finden sich auch manchmal Nachbarn ein, die uns über die Schulter schauen, wenn wir das Ergebnis feststellen.

Dann landet die Wahlurne wieder im Keller, bis zur nächsten Wahl im Hause Fabrizius?

Genau. Dann rücken wir die Möbel wieder um, alles kommt wieder an seinen Ort und danach wird Party gemacht.

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