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Biografie von Dominique Strauss-Kahn:Wenn einer seinen Landsleuten einen Bären aufbindet

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In einem Buch nimmt Dominique Strauss-Kahn Stellung zu jenem schicksalshaften Tag in einem New Yorker Luxushotel und zu seiner möglichen Verstrickung in einen Prostitutionsskandal in Lille. Die Quintessenz des Machwerks: Monsieur ist kein Sexualstraftäter, sondern ein Freund der freien Liebe.

Michael Kläsgen, Paris

Das Buch trägt den Titel "Affaires DSK - la contre-enquête". Die "Gegenuntersuchung" ist seit Donnerstag im Handel und nichts anderes als eine Gegenoffensive von Dominique Strauss-Kahn, kurz DSK, des tief gestürzten ehemaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds. Erstmals schildert der gefallene Hoffnungsträger der französischen Sozialisten darin, was an jenem schicksalhaften 14. Mai 2011 in der Suite des New Yorker Sofitel-Hotels aus seiner Sicht passiert ist.

Er sei nackt aus dem Bad gekommen und habe plötzlich vor dem Zimmermädchen Nafissatou Diallo gestanden. Sie habe ihm zunächst tief in die Augen geblickt und dann sein Geschlecht "fixiert". Er habe das als "Einladung" verstanden. Schließlich sei es zu "dieser einvernehmlichen, aber dummen" Geschichte gekommen.

Nicht Strauss-Kahn selbst hat dies zu Papier gebracht, sondern sein langjähriger Vertrauter und Biograf Michel Taubmann.

Die Aufmerksamkeit für die Bekenntnisse könnte größer kaum sein. Die Illustrierte Paris Match druckte Auszüge vorab, die Fernsehnachrichten spielten die Situation im Hotel in Trickfilm-Animationen nach, und alle großen Medien berichteten - meist mit süffisantem Unterton. Gern zitiert wird vor allem Strauss-Kahns Eingeständnis, "ein freies Sexleben" zu führen. Das sei in der Politik und Geschäftswelt nicht unüblich, beteuert er. Vor allem sei es "nicht illegal".

Beliebt ist auch der Satz: "Prostitution, Zuhälterei? Das verabscheue ich." Da ist die Rede von der "Carlton-Affäre", in die Strauss-Kahn verwickelt ist, benannt nach einem mutmaßlichen Sex-Ring in dem Hotel in Lille. Er habe zwar an "freizügigen Abenden" im Carlton teilgenommen, sagt Strauss-Kahn, aber dafür nie "auch nur einen Centime bezahlt" - und natürlich nicht geahnt, dass die Damen käuflich sein könnten.

Die bisherige Rezeption des Werks zeigt: Die Franzosen haben ein feines Gespür dafür, wenn ihnen ein Bär aufgebunden werden soll. Das Buch, eine große Tartüfferie, so wird es jedenfalls dargestellt, gekrönt von dem Vorsatz: "Ich habe beschlossen, mit alldem zu brechen. C'est fini."

Aus und vorbei. Ja, so ist es.

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SZ vom 02.12.2011
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