Süddeutsche Zeitung

BGH:Chefarzt-Operation nur beim Chefarzt

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Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer mit dem Krankenhaus eine Operation durch den Chefarzt vereinbart hat, muss auch vom Chefarzt operiert werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Urteil entschieden. Hält sich die Klinik nicht an die Vereinbarung, macht sie sich grundsätzlich schadensersatzpflichtig - und zwar auch dann, wenn die Operation fehlerfrei verlaufen ist. (Az: VI ZR 75/15)

Geklagt hatte ein Mann, der für eine chirurgische Handoperation ausdrücklich als Wahlleistung die Behandlung durch den Chefarzt vereinbart hatte, der ihn zuvor auch untersucht hatte. Den Eingriff nahm dann aber ein stellvertretender Oberarzt vor. Der Patient litt später an erheblichen Folgeschäden - und das, obwohl die Operation nach den Feststellungen eines Sachverständigen fehlerfrei verlaufen war. Er klagte auf Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte den Anspruch abgelehnt, weil der Patient - da die Behandlung nach den Regeln ärztlicher Kunst verlaufen sei - bei einer Operation durch den Chefarzt nicht weniger beeinträchtigt gewesen wäre. Ein Schmerzensgeld sei daher nicht gerechtfertigt. Der BGH hob das OLG-Urteil nun auf und verwies den Fall zur neuen Prüfung zurück.

Die Einwilligung des Patienten gilt nur für den Chefarzt

Begründung: Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Integrität sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine wirksame Einwilligung des Patienten vorliege. Daran fehle es hier, weil sich die Einwilligung nur auf den namentlich genannten Chefarzt beziehe. Damit sei die Operation durch einen anderen Arzt rechtswidrig. Dass dem Ersatzmann kein Fehler unterlaufen war, ändert daran laut BGH nichts. Der sechste BGH-Zivilsenat begründet den hohen Rang der Einwilligung mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Bei Operationen gehe es um "absolut geschützte Rechtsgüter". Deshalb müsse das Vertrauen des Patienten in die ärztliche Zuverlässigkeit und Integrität geschützt werden.

Das Urteil betrifft Patienten, die mit dem Krankenhaus eine sogenannte Wahlleistungsvereinbarung zur Chefarztbehandlung abschließen - üblicherweise, weil dies beispielsweise von ihrer privaten Krankenversicherung abgedeckt wird. Max Middendorf, Fachanwalt für Medizinrecht, weist allerdings darauf hin, dass eine bloße "Erwartungshaltung" nicht ausreicht. "Wichtig ist, dass der Patient seinen Wunsch unmissverständlich zum Ausdruck bringt." Im Mustervertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist für solche Wahlleistungen eine Vertreterregelung vorgesehen: Ist der Chefarzt wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses verhindert, kommt ein namentlich benannter Vertreter zum Zuge.

Bereits 2010 hatte der Karlsruher BGH entschieden, dass Patienten sich nicht mit der Operation durch den gerade diensthabenden Arzt abfinden müssen, sondern ihre Einwilligung auf konkrete Mediziner ihres Vertrauens beschränken können. Neu an der aktuellen Entscheidung ist, dass das Krankenhaus selbst dann haftbar gemacht werden kann, wenn ein eigentlich nicht vorgesehener Vertreter alles richtig gemacht hat.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2016
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