Süddeutsche Zeitung

Berggorillas in Ruanda:Mein Freund, der Tourist

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Berggorillas bewohnen zwei kleine Gebiete im östlichen Afrika. Zuletzt gab es nur noch wenige. Jetzt hat ihre Zahl erstmals seit Jahrzehnten wieder die Grenze von 1000 Tieren überschritten.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Es ist eine Angelegenheit von höchster nationaler Wichtigkeit. Einmal im Jahr begibt sich Ruandas Präsident Paul Kagame zum Informationszentrum des Vulkan-Nationalparkes im Nord-Westen des Landes, um den jüngsten Nachwuchs zu begrüßen: 19 Berggorillas waren es im vergangenen Jahr, die im Beisein des Präsidenten getauft wurden, so wie jedes Jahr. "Es liegt in der Verantwortung von allen, die Artenvielfalt zu beschützen. Wir können nur gewinnen, wenn wir Gorillas schützen", sagte Kagame 2017. Die Gorillas sind für das kleine Land ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, fast 40 000 Touristen kamen zuletzt, um die vom Aussterben bedrohten Tiere zu sehen. Es ist einer der seltenen Fälle, in denen der Tourismus den Schaden nicht zu vergrößern droht, sondern dabei hilft, das Überleben einer Art zu sichern.

Nach Angaben von Tierschutzorganisationen hat die Zahl der Berggorillas, die weltweit nur in Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo leben, seit Jahrzehnten das erste Mal wieder die Grenze von 1000 Tieren überschritten. "Die Zahlen sind erstaunlich und übertreffen unsere Erwartungen", sagt Mike Cranfield von der Tierschutzorganisation Gorilla Doctors. Aus seiner Sicht seien die Zahlen vor allem darauf zurückzuführen, dass die drei Länder mit Gorillabestand beim Schutz mittlerweile eng zusammenarbeiten.

Die meisten Gorillas leben im Gebiet der Virunga-Vulkane, das in Uganda, im Kongo und in Ruanda durch Nationalparks unter besonderem Schutz steht. Dort wurden nun 604 Berggorillas gezählt, vor acht Jahren waren es lediglich 480 gewesen. Die restlichen 400 leben im Bwindi-Nationalpark im südlichen Uganda. Mittlerweile hat sich die Zahl der Tiere aber womöglich erhöht, denn die Zählung stammt genau genommen aus dem Jahr 2016, damals hatten die Forscher über Tausende Kilometer den Kot der Gorillas eingesammelt, um sie möglichst wenig zu stören. Zwei Jahre dauerte es, alle Ausscheidungen zu untersuchen und den verschiedenen Tierarten zuzuordnen.

Der Krieg um Bodenschätze gefährdet die Gorillas

Hauptfeind der Gorillas bleibt aber auch der Mensch. Die Gegend gehört zu den am dichtesten bevölkerten in Afrika. Um Holzkohle zu gewinnen, werden ganze Wälder abgeholzt, den Gorillas der Lebensraum entzogen. Weitere Tiere verfangen sich in den Fallen, die eigentlich für Antilopen ausgelegt wurden.

Am schwierigsten ist der Schutz im Virunga-Nationalpark im Kongo, wo seit Jahrzehnten ein blutiger Krieg tobt, in dem verschiedene Rebellengruppen um die Bodenschätze des Landes kämpfen. Mehr als 175 Ranger wurden im Virunga-Park in den vergangenen 20 Jahren getötet. Und erst vor wenigen Wochen wurden hier zwei britische Touristen entführt, die wenig später zwar wieder auf freien Fuß kamen, ihr kongolesischer Begleiter jedoch wurde erschossen. Der Park soll erst wieder 2019 für Besucher geöffnet werden. Die kongolesische Seite also profitiert am wenigsten vom Tourismus.

Uganda und vor allem Ruanda indes wollen den Fremdenverkehr massiv ausbauen. Ruandas staatliche Entwicklungsgesellschaft hat sich vorgenommen, die Einnahmen aus dem Tourismus bis zum Jahr 2024 zu verdoppeln. Neue Luxushotels entstehen, und die staatliche Fluglinie Rwandair fliegt nun Kapstadt und London direkt an - für die kommenden Monate haben sich bereits die Spieler des FC Arsenal angesagt, die Tourismusgesellschaft Ruandas ist ab der kommenden Saison einer der Trikot-Sponsoren des englischen Spitzenklubs.

Es kann gut sein, dass auch Mesut Özil bald den Berggorillas einen Besuch abstattet. Eine Stunde dürfen Touristen nahe an die Primaten heran, die so ganz anders sind als das Zerrbild, das die Welt durch Filme wie "King Kong" bekam. Berggorillas sind imposante Gestalten, wiegen bis zu 200 Kilogramm und werden bis zu 1,75 Meter groß. Sie sind aber friedlich und sozial, die Tiere in Ostafrika leben in freier Wildbahn, werden jedoch über Jahre hinweg an Menschen gewöhnt. Umgekehrt zeigt sich der Mensch nicht immer so tolerant. Die Zahl der Berggorillas war Ende der 90er-Jahre bereits einmal erstaunlich gestiegen. Damals tobte in Ruanda der Genozid, brachten sich die Menschen gegenseitig um. Und ließen die Berggorillas in Frieden.

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Quelle:
SZ vom 08.06.2018
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