Süddeutsche Zeitung

Badeunfälle:"Männer überschätzen sich gerne"

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Von Thomas Hummel

Ein Badeweiher in Böhl-Iggelheim in Rheinland-Pfalz: Drei Männer zwischen 22 und 34 Jahren können sich beim Schwimmen nicht mehr über Wasser halten, gehen unter und sterben. Die Polizei meldet später: Alle drei hatten Alkohol getrunken. Oder Schauplatz Niedersachsen, der Ort Isenbüttel: Ein 34-Jähriger springt bei großer Hitze und unter Alkoholeinfluss in einen Badesee, erleidet eine Herz-Kreislauf-Schwäche und ertrinkt. Es sind zwei Vorfälle, die sich in ein Muster fügen. Die große Mehrheit der Ertrinkenden sind Männer, Selbstüberschätzung, Prahlsucht und Alkohol spielen dabei meist eine Rolle.

"Männer überschätzen sich gerne", sagt Achim Haag, Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). "Sie möchten Schwimmen wie Michael Phelps, können sich aber gerade über Wasser halten." Etwa acht von zehn Toten in den Gewässern sind Männer, weshalb die DLRG dazu rät, sich ein Vorbild an den Frauen zu nehmen. "Sie sind realistischer in der Selbsteinschätzung", erklärt Haag. In Schweden hat vor allem das Alkohol-Problem vor einigen Jahren derart zugenommen, dass eine Firma eine Kampagne mit dem Namen "Don't drink and dive" anstieß.

504 Menschen sind 2018 in Deutschland ertrunken

Insgesamt sind im Jahr 2018 nach Angaben der DLRG 504 Menschen in Deutschland ertrunken. Weiteren 974 Menschen konnten demnach Mitglieder der Gesellschaft das Leben retten, 64 Mal riskierten die Helfer dabei sogar ihr eigenes Leben. Die Zahlen sind im Vergleich zum Jahr davor teilweise erheblich angestiegen, was vor allem auf das lang anhaltende Sommerwetter zurückzuführen ist. Die meisten Unfälle passieren weiterhin auf Binnengewässern: An Seen, Teichen oder Flüssen fehlen häufig ausgebildete Rettungsschwimmer.

Besorgt blickt die DLRG auf die Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen. Einer Umfrage zufolge könnten 59 Prozent der Grundschüler nicht ausreichend gut schwimmen. Haag bezeichnet das als "Pisa des Schulsports" und warnte vor der Gefahr höherer Opferzahlen. 2018 seien 71 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren ertrunken, 27 mehr als im Jahr davor. Haag führt das auf die schwindende Zahl von Schwimmbädern in Deutschland zurück. Vor allem in ländlichen Gebieten sei die Entfernung zum nächsten Bad mitunter so weit, dass die Schulen gar keinen Schwimmsport mehr anbieten könnten.

Die DLRG rechnete aus, dass derzeit etwa 80 Bäder pro Jahr geschlossen werden, zumeist aus finanziellen Gründen. Die Organisation hat deshalb die Online-Petition "Rettet die Bäder!" gestartet und will diese demnächst dem Bundestag übergeben. Denn sie fürchtet auch um erschwerte Bedingungen bei der eigenen Ausbildung, wenn zunehmend geeignete Schwimmbäder fehlen.

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