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Falschbehauptungen über Schulmassaker:Fast eine Milliarde US-Dollar Strafe für Verschwörungserzähler

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Alex Jones, Gründer des rechtsradikalen Onlineportals "Infowars", behauptete, dass der Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School mit 26 Toten inszeniert worden sei. Ein Gericht hat ihn nun wegen Verleumdung verurteilt.

Von Claudia Koestler, Portland

Es war am Morgen eines Dezembertages, als der 20-jährige Adam Lanza zur Waffe griff, seine Mutter tötete und daraufhin an seine alte Schule, die Sandy Hook Elementary School in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut fuhr. Dort erschoss der Amokläufer um kurz nach halb zehn 20 Kinder und sechs Lehrerinnen, ehe er sich selbst richtete. Das Massaker vom 14. Dezember 2012 gilt, gemessen an der Anzahl der Opfer, als der zweitschwerste Amoklauf an einer Schule in der Geschichte der USA. Dass der Verschwörungserzähler Alex Jones über diese Tat falsche Behauptungen aufgestellt und verbreitet hat, kommt ihn nun teuer zu stehen: Er muss insgesamt 965 Millionen US-Dollar an Hinterbliebene zahlen. Das entschied ein Gericht im US-Bundesstaat Connecticut am Mittwoch, wie US-Medien aus dem Gerichtssaal in Waterbury berichteten.

Jones, Radiomoderator und Gründer des rechtsradikalen US-amerikanischen Onlineportals Infowars, hatte in der Vergangenheit behauptet, dass der Amoklauf von Schauspielern inszeniert worden sei. Die Klage war von Angehörigen von fünf Kindern und drei Lehrern eingereicht worden, die bei dem Massaker getötet wurden - sowie von einem FBI-Agenten, der zu den Ersthelfern am Tatort gehörte. In dem Prozess sagten Eltern und Geschwister der Opfer laut Medienberichten unter Tränen aus, wie sie jahrelang von Leuten bedroht und belästigt wurden, die den Lügen Jones' glaubten. Fremde seien bei ihnen zu Hause aufgetaucht, um sie zu filmen, in den sozialen Medien seien sie mit beleidigenden Kommentaren überschüttet worden.

Der Betrag von 965 Millionen US-Dollar ergibt sich aus der Summe der Schadenszahlungen an die insgesamt 15 Klägerinnen und Kläger. Die Anwälte der Familien hatten den Geschworenen vorgeschlagen, 550 Millionen Dollar als "Basis" für die Berechnung des Schadensersatzes zu verwenden - etwa einen Dollar für jeden Social-Media-Klick, die Jones' Facebook-, Twitter- und Youtube-Konten in den sechs Jahren nach dem Massaker von 2012 gemeinsam erzielten.

"Lügen, um ein Geschäft anzukurbeln"

"Man muss einem Tyrannen die Stirn bieten, denn Tyrannen hören nicht auf, vor allem, wenn sie durch ihre Tyrannei sehr, sehr reich werden", sagte Chris Mattei, einer der Anwälte der Familien in den Schlussplädoyers. Er bat die Geschworenen, ein Urteil zu fällen, "das Alex Jones klarmacht, wie verheerend sein Verhalten war." Dies sei nicht nur eine gelegentliche Lüge gewesen - "dies war der Gebrauch von Lügen, um ein Geschäft anzukurbeln", zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg die Anwälte. Jones' Geschäftsmodell sei es gewesen, den Familien der Getöteten Leid zuzufügen und daraus Profit zu schlagen. Ein Mitarbeiter von Jones hatte dessen Gesamteinnahmen aus dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln, Büchern und Überlebensausrüstung seit der Schießerei auf 100 Millionen bis eine Milliarde US-Dollar beziffert. Jones indes hat inzwischen erklärt, er sei fast pleite. "Sie könnten ein Urteil im Wert von einer Milliarde Dollar erhalten und würden keinen Cent bekommen", sagte er während einer Pressekonferenz.

Der Prozess, der etwa 30 Kilometer vom Ort der Schießerei entfernt stattfand, war der zweite, bei dem Jones für seine Aussagen finanziell zur Verantwortung gezogen wurde. In Texas wurde er bereits im August dazu verurteilt, fast 50 Millionen Dollar Schadenersatz an die Familie eines in der Grundschule ermordeten Erstklässlers zu zahlen.

Während eines kurzen Auftritts im Zeugenstand erklärte Jones, er sei "fertig damit, sich für seine Sandy-Hook-Aussagen zu entschuldigen", und fügte hinzu, er habe schon "vor Jahren" zugegeben, dass das Massaker wirklich stattgefunden habe. Inzwischen nahm er diese Aussagen jedoch wieder zurück. Die Geschworenen seien "manipuliert" und die Tat an der Grundschule habe es nie gegeben.

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