Süddeutsche Zeitung

Singapur:Tausende private Daten von HIV-Patienten veröffentlicht

Lesezeit: 2 min

Von Arne Perras, Singapur

Einer der Betroffenen nennt sich Jay, es ist nicht sein richtiger Name, aber er wollte doch erzählen, was das alles jetzt bedeutet für ihn. Dass sich der junge Mann vor einigen Jahren mit dem HI-Virus infiziert hat, ist für ihn "definitiv eine sehr private Angelegenheit", wie er anonym einer Reporterin der singapurischen Straits Times anvertraute. Das Blatt berichtete am Dienstag auf drei Seiten, was den Stadtstaat im Moment sehr bewegt: Durch ein Datenleck sind streng vertrauliche Patienteninformationen in die Öffentlichkeit gelangt.

Die Affäre wühlt viele Bürger auf, die sich um die Sicherheit ihrer Daten sorgen. Singapur treibt eine umfassende Digitalisierung in allen Lebensbereichen voran und möchte sich damit als innovative "Smart City" profilieren, Cyber Security gewinnt damit für alle Bürger eine immer größere Bedeutung. Und wenn es zu Pannen kommt, schürt das Ängste, vor allem in diesem Fall, weil die Daten so sensibel sind.

Wie die Regierung bekannt gab, sind vertrauliche Informationen von 14 200 HIV-Patienten, die in Singapur erfasst wurden, ins Internet gelangt. Namen, Adressen, Telefonnummern. Singapur erhebt schwere Vorwürfe gegen einen US-Arzt, der die Daten gestohlen und online gestellt haben soll. Unter den Betroffenen seien nicht nur Singapurer, sondern auch 8800 Ausländer.

Aids-Patienten fürchten die Ausgrenzung

Als Jay von dem Datenleck erfuhr, habe er sofort an seine 60-jährige Mutter gedacht, sagte er. Wie würde das wohl sein, wenn Freunde und Verwandte sie nun damit konfrontierten? Nur einem einzigen engen Freund habe er sich je anvertraut. Wie viele HIV-Patienten fürchtet er das Stigma und dass seine Familie ausgegrenzt werden könnte, wenn seine Infektion bekannt wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass im Stadtstaat vertrauliche Daten aus dem Gesundheitsapparat gestohlen wurden. Im Sommer 2018 gelangten Hacker an Informationen von 1,5 Millionen Singapurern, die Kliniken besucht hatten. Laut Regierung enthielten die gestohlenen Informationen zwar keine Diagnosen, aber doch Hinweise auf verschriebene Medikamente in 160 000 Fällen. Angeblich hatten es die Täter auch gezielt auf Daten des Premiers Lee Hsien Loong abgesehen, der wegen Krebs in Behandlung war.

Die Spuren des Lecks von HIV-Daten führen nach Angaben der Regierung zu einem 33-jährigen Arzt aus den Vereinigten Staaten und dessen Lebenspartner, einem hochrangigen singapurischen Gesundheitsbeamten. Das Paar verbrachte mehrere Jahre in Singapur, laut Channel News Asia haben die beiden 2014 in New York geheiratet.

Die singapurischen Behörden werfen dem US-Arzt nun vor, er sei über seinen Partner, der zeitweilig die nationale Gesundheitsbehörde leitete, an vertrauliche HIV-Daten gelangt und habe sie nun veröffentlicht.

Ausländer mit HIV in Singapur unerwünscht

Über ein mögliches Motiv wurde zunächst nichts bekannt, der US-Mediziner befindet sich nicht mehr im Land. Er war 2018 abgeschoben worden, nachdem er eine Haftstrafe wegen Betrugs und Drogendelikten abgesessen hatte.

Im Prozess wurde damals ermittelt, dass der Amerikaner eine falsche Blutprobe für einen medizinischen Test abgegeben hatte, weil er fürchtete, dass er ansonsten keine Arbeitsgenehmigung in Singapur erhalten würde. Er reichte offenbar Blut seines Partners ein und täuschte die Behörden so über seine HIV-Infektion hinweg.

In Singapur kann der Staat von Ausländern einen solchen HIV-Nachweis verlangen, wenn sie eine Arbeitserlaubnis beantragen, bei ausländischen Haushaltshilfen ist der Test zwingend. Wer sich als Ausländer mit HIV infiziert hat, ist im Staat Singapur unerwünscht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4308418
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.