Süddeutsche Zeitung

Zweite Stammstrecke:Warum werden Großprojekte immer teurer als gedacht?

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Von Andreas Schubert, München

Man muss bei der Kostenentwicklung der zweiten Stammstrecke manchmal an die TV-Serie Kir Royal denken, in welcher der Unternehmer Heinrich Haffenloher einen Tisch in einem Nobelrestaurant reservieren lässt und dann vom Hotelportier zu hören bekommt: "Billig wird's nicht sein." Lang ist's her, aber schon vor mehr als 30 Jahren fragte man sich: Was ist in München schon billig? Nun, der Tunnelbau passt ganz gut in die Stadt, in der so gar nichts preiswert zu haben ist. Satte 3,2 Milliarden Euro soll das Ganze kosten, wenn man potenzielle Risiken mit einrechnet, werden es sogar 3,85 Milliarden.

Ein Haufen Geld - und unter den Tunnelgegnern hat es sich inzwischen eingebürgert, von vier Milliarden zu reden, um ihrem Vorwurf vom "Milliardengrab" und ähnlichen Formulierungen mehr Gewicht zu verleihen. Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre an, könnten es durchaus ein paar Euro mehr werden. Vor gut fünf Jahren lagen die Berechnungen bei zwei Milliarden, also etwa der Hälfte.

Doch wer zahlt den Tunnel eigentlich? Am 25. Oktober im vergangenen Jahr haben Bund und Freistaat die gemeinsame Finanzierung von Stammstrecke Nummer zwei in München vereinbart. Und als Bayerns CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer und Deutschlands CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Vereinbarung zur Realisierung des Projekts unterschrieben, sahen sie nicht so aus, als ob ihnen die hohe Ausgabe wirklich weh tun würde. Wie der Österreicher sagen würde, brennt der Freistaat wie ein Luster, das heißt: Er zeigt sich spendabel und streckt den Anteil des Bundes zunächst vor, holt sich dann aber das Geld vom Bund zurück.

Von den 3,2 Milliarden Euro (wenn es dabei bleibt) wird der Bund gut 1,5 Milliarden tragen, knapp 1,3 Milliarden Euro übernimmt der Freistaat; die Bahn schießt 177 Millionen zu, die Stadt München 161 Millionen. Der Bund übernimmt damit 60 Prozent der förderfähigen Baukosten. Das Geld stammt aus dem Bundesprogramm zur Gemeindeverkehrsfinanzierung (GVFG), nach dem zum Beispiel Verwaltungskosten nicht zuwendungsfähig sind. Kritiker des Projekts befürchten, dass nun sämtliche GVFG-Mittel bayernweit über Jahrzehnte verbraucht sind und keine anderen Nahverkehrsprojekte eine Chance auf Förderung durch den Bund haben. Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) indes beteuert, das sei nicht der Fall. Er geht davon aus, dass die Bundesmittel in Zukunft ohnehin erhöht werden müssen.

Kostenberechnung ist komplex - in nur einem Jahr kann sich vieles ändern

Der Finanzierungsvereinbarung lagen die von der Bahn ermittelten Gesamtkosten von genau 3,849 Milliarden Euro einschließlich Risikopuffer (3,176 Milliarden Euro ohne Risiko) zugrunde. Dass sich die kalkulierten Kosten in nur fünf Jahren fast verdoppelt haben, liegt an der zeitlichen Verschiebung und inflationsbedingten Preiseffekten, außerdem wurden potenzielle Preissteigerungen über die Projektlaufzeit berücksichtigt und Risiken neu bewertet. Das hat dazu geführt, dass sich die Kalkulation sogar von 2015 auf 2016 noch geändert hat: Die Bahn ging im Juli 2015 noch von rund 3,1 Milliarden Euro aus, die Risiken bereits eingerechnet.

Wer aber zahlt nun, wenn es teurer wird? Auch die Risiken sind geregelt. Die Finanzierungsvereinbarung sieht vor, dass sich die Anteile ebenso wie bei den förderfähigen Baukosten verteilen. Der Bund zahlt 60 Prozent, der Freistaat 40. Dass sich die über Jahre laufende Finanzierung aufgrund wechselnder politischer Machtverhältnisse ändern wird, glaubt Herrmann nicht. Wer könne schon ernsthaft den Sinn von Nahverkehrsprojekten anzweifeln, sagt er.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2017
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