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Wunschschule in München:Einschulung: Zu diesen Tricks greifen die Eltern

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Von Melanie Staudinger, München

Moderner Ganztagsunterricht, engagierte Lehrer, eine Schulleitung, die sich vom Kultusministerium nicht alles bieten lässt, und eine hohe Übertrittsquote: Das alles wünschen sich Eltern an der Grundschule ihrer Kinder. Das Problem ist allerdings, dass sich Familien in Bayern nicht aussuchen können, welche Bildungseinrichtung ihre Söhne und Töchter in den ersten vier Schuljahren besuchen.

Anders als bei Gymnasien und Realschulen gilt bei Grundschulen die sogenannte Sprengelpflicht. Das heißt: Die Kinder müssen die Schule besuchen, die für ihre Heimatadresse zuständig ist. Nur in ganz wenigen Ausnahmen lässt sich diese Festlegung umgehen. Und so tricksen die Eltern gerade in Großstädten wie München, wo die Auswahl an Schulen groß ist, zunehmend, damit sie ihr Kind doch noch an die Wunschschule schicken können.

Sie melden sich und die Tochter oder den Sohn einfach bei Freunden oder Bekannten an, die im gewünschten Sprengel wohnen. Eine Briefkasten-Adresse quasi, die nur dazu dient, die Zukunftschancen des Kindes vermeintlich zu verbessern. Fliegt der Schwindel auf, bekommen die Rektoren meist dieselbe Ausrede zu hören: "Mein Mann und ich haben uns kurzzeitig getrennt. Da lebte ich mit meinem Kind für ein paar Monate eben bei einer Freundin." Natürlich geschah das just in dem Moment, als die Schuleinschreibung anstand. Und selbstverständlich folgte die Versöhnung umgehend, nachdem das Kind an der gewünschten Schule angenommen worden war.

Rein rechtlich, so erklärt Hedwig Schwager, könnten die Behörden nicht viel dagegen tun. Als rechtliche Leiterin im Schulamt München ist sie unter anderem für die Fälle von Wohnort-Tricksereien zuständig. "Es ist schwierig nachzuweisen, dass die Eltern eine Trennung nur zum Zweck vortäuschen, dass das Kind in einem anderen Sprengel eingeschult wird", sagt sie.

Bei Schwager sind aber auch noch ganz andere Schummeleien aufgeschlagen: Manche Familien hätten schon Adressen genannt, die real nicht existierten, etwa weil es die Hausnummer in einer Straße gar nicht gebe. Andere wiederum führten bei der Anmeldung ein Wohnhaus an, das längst abgerissen war, oder lebten angeblich in Gebäuden, die in der Wirklichkeit nur Büros beherbergten. "Da kommt eigentlich alles vor", sagt Schwager.

Die Kinder können nichts für den Ehrgeiz der Eltern

Die Gründe für die Tricksereien sind fast überall dieselben: Es gibt Schulen, die genießen einen besseren Ruf als andere. Die Grundschule am Winthirplatz, einer der Ausgezeichneten des Münchner Schulpreises, zählt zum Beispiel dazu, oder die Klenzeschule. Sie liegen in einer guten Gegend, der Anteil ausländischer Schüler ist gering, die Übertrittsquoten ans Gymnasium sind überdurchschnittlich. Eltern erhoffen sich davon Vorteile für ihr Kind. Eine Bestrafung haben sie kaum zu befürchten. Ist ein Schüler einmal angenommen, wird er in der Regel nicht mehr aus der Klassengemeinschaft gerissen. Schließlich kann das Kind nur wenig für den falschen Ehrgeiz der Eltern, wie Schulleiter übereinstimmend sagen.

Nachteile haben aber die Familien, die legal versuchen, an eine andere Schule zu kommen - etwa, weil an ihrer Sprengeleinrichtung die Betreuungsplätze am Nachmittag in Hort, Tagesheim oder Ganztagsklassen nicht ausreichen. Sie können einen Gastschulantrag stellen. Das Angebot wird in München rege angenommen. Das städtische Bildungsreferats zählt jedes Jahr vor Schulbeginn etwa 1500 Gesuche. Bis August steigt diese Zahl noch um zirka 700 an - dann ist meist der Grund, dass eine Familie umzieht, das Kind aber in der alten Schule bleiben soll.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2016
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