Süddeutsche Zeitung

Naturschutz:19 Hektar für die Artenvielfalt am Fluss

Lesezeit: 3 min

Der Isartalverein kauft zehn Grundstücke in der Pupplinger Au. Mit Beweidung soll die drohende Verbuschung dort aufgehalten und dem Schneeheide-Kiefernwald mehr Raum gegeben werden.

Von Veronika Ellecosta, Wolfratshausen

Mit dem Weihnachtstauwetter ist der Schnee in der Pupplinger Au geschmolzen. Was davon übrig ist, hängt in schweren Fetzen von den Kiefernästen, rinnt über die Stämme hinunter und tropft von den niedrigen Sträuchern. Auch die Schneedecke ist nass, nur einzelne kurze Grasbüschel hat das Tauwetter wieder freigelegt. Martin Kiechl steht an der Straße und deutet auf die Schneedecke. "Selbst im Schnee sieht man, dass das Gras auf der Weide kürzer ist als außerhalb." Sein Blick wandert weiter nach links, wo der Drahtzaun das Weidegebiet abgrenzt. Und tatsächlich: Jenseits davon stoßen längere Halme und größere Büschel an die Oberfläche.

19 Hektar umfassen die zehn Grundstücke, die der Isartalverein den Bayernwerken in den Isarauen abkauft. Der Stromversorger wollte die Grundstücke ohnehin abstoßen, weil sie kaum nutzbar seien, erklärt Martin Kiechl, der Vorsitzende der Naturschutzorganisation. Abgewickelt werden die Käufe erst im neuen Jahr, die Regierung von Oberbayern bezuschusst den Erwerb großzügig. Die Flächen liegen innerhalb des Weidegebietes der Murnau-Werdenfelser-Rinder sowie außerhalb. Alle sind jedenfalls Flora-Fauna-Habitat (FFH), Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet. Damit sind die Augrundstücke schon recht gut vor Eingriffen geschützt. Eigentlich.

Was zurück zu den Grasbüscheln führt: Bei den Wäldern in der Pupplinger Au, erklärt Martin Kiechl, handelt es sich um lichten Schneeheide-Kiefernwald. Bevor der Sylvensteinspeicher die Isar staute, überschwemmte der Fluss regelmäßig die Auwälder. Erst durch den angeschwemmten Schotter konnte sich der lichte Kiefernwald entwickeln. Seit dem Bau des Speichers kommt es aber seltener zu Hochwasserschwellen. Dicker Altgrasfilz bedroht den lichten Wald, mähen lässt sich der Boden nicht. "Wenn man nichts tut, verbuscht der Kieferwald. Fichtenbestand kommt nach und wir haben irgendwann eine artenarme Flora und Fauna", erklärt Kiechl und blickt in die nebligen Auwälder. Dann wäre es mit ihnen bald vorbei.

Um die Verbuschung zurückzudrängen, hat der Isartalverein gemeinsam mit diversen staatlichen Projektbeteiligten 2010 die Murnau-Werdenfelser-Rinder in der Pupplinger Au angesiedelt. Seitdem streifen die Tiere durch die Wälder, knabbern das Gras ab und tragen dadurch zum Erhalt der Biodiversität bei. Wenn das Gras kurz ist, können auch junge Kiefern wieder nachkommen, erklärt Kiechl. Der Isartalverein hat die Grundstücke von den Bayernwerken nun gekauft, um diese Entwicklung anzukurbeln.

"Wenn man nichts Negatives tut, ist das gut. Aber, wenn man was Positives macht, ist das besser", erklärt Martin Kiechl und meint damit im konkreten Fall: Der Eigentümer eines geschützten Gebietes muss lediglich den Status Quo erhalten. Im Falle der Pupplinger Au hieße das, die Verbuschung vor allem außerhalb der Weidegebiete sich selbst zu überlassen und damit zuzuschauen, wie Fichten und Büsche den lichten Kiefernwald zurückdrängen.

Deshalb hat der Isartalverein die Grundstücke in seinen Besitz gebracht und Pläne gefasst, um die neuen Flächen im Sinne des Naturschutzes zu nutzen: In den Gebieten, die bereits beweidet werden, sollen in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde Verbesserungen vorgenommen und von fachlicher Seite auch begleitet werden. Gemeinsam mit der Heinz-Sielmann-Stiftung will der Verein auch die Beweidung auf Teilen der neuen Grundstücke ausweiten, um dort dem Grasfilz beizukommen. Außerdem sollen Gumpen angelegt werden: "Der Gelbbauchunke und Kleintieren bis hin zur Kreuzotter, die hier zu Hause ist, wollen wir behutsam und in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde ein Zuhause zurückgeben", sagt Kiechl. Auch um die Flächen, die vorerst nicht zum Weidegebiet ausgeweitet werden sollen, möchte der Isartalverein sich kümmern. Vornehmlich geht es dort darum, Fichten zu entnehmen und weitere Konzepte zum Erhalt des Schneeheide-Kiefernwaldes zu entwickeln.

Dass der Isartalverein Flächen kauft, um sie in die Obhut des Naturschutzes zu stellen, liegt sozusagen in der DNA des Vereins: Bereits kurz nach der Jahrhundertwende war es für das Münchner Großbürgertum schick, sich eine Sommerfrische-Villa im Süden von München zu bauen. "Die Mitglieder des Vereins wollten aber verhindern, dass ein paar Privilegierte die Natur aufkaufen", sagt Kiechl. Aus eigener Tasche erwarben die Vereinsmitglieder damals die ersten Grundstücke in Grünwald und Baierbrunn, um sie der bourgeoisen Wochenendnutzung zu entziehen.

Mit dem Kauf der Grundstücke in der Pupplinger Au hat sich der Isartalverein auf seine Wurzeln berufen. 173 Hektar hat der Verein in den vergangenen 120 Jahren erworben - 150 Grundstücke in allen Größenordnungen: von 50 Quadratmetern bis 26 Hektar, von Pullach bis Lenggries. Mittlerweile wird der Verein auch von staatlicher Seite großzügig bezuschusst. Außerdem haben Naturschutzorganisationen ein naturschutzfachliches Vorkaufsrecht für Grundstücke im Naturschutzgebiet. "Wir sind sehr froh, dass der Staat das unterstützt", sagt Kiechl dazu.

In der kommenden Saison geht es aber erst einmal darum, konkrete Pläne zu entwickeln und zu besprechen. Manche Schritte laufen im Zeitraum von mehreren Jahren ab und werden wiederum separat staatlich bezuschusst. Es gibt derzeit ohnehin einiges zu tun in der Pupplinger Au: Durch den Hagelschlag vor zwei Jahren kämpfen die Kiefern gegen Pilzbefall, außerdem muss der Wald verjüngt werden. Im Weidegebiet müssen dafür Inseln für die Jungpflanzen eingezäunt werden. Im Sommer möchte Martin Kiechl dann, dass die Beweidung auf die neuen Grundstücke ausgeweitet wird: "Das wird logistisch eine Aufgabe", sagt er. "Aber wir hoffen, dass es funktioniert."

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