Süddeutsche Zeitung

Wenzberg:Ickinger Straße bleibt vorerst nach Nazi benannt

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Der Gemeinderat will die Verstrickungen des Architekten Paul Wenz näher untersuchen lassen. Nur ein einziger Politiker ist überzeugt: "Der Name ist verbrannt."

Von Thekla Krausseneck, Icking

Der Wenzberg bleibt vorerst der Wenzberg: Der Ickinger Gemeinderat hat am Donnerstag nicht beschlossen, die nach dem ausgewiesenen Nazi-Architekten Paul Wenz benannte Straße umzuwidmen. Stattdessen soll jetzt ein Arbeitskreis tiefer in die Geschichte des früheren NSDAP- und SA-Mitglieds eintauchen. Nur Christian Mielich (SPD/Grüne) wandte sich entschieden gegen das Vorgehen: "Es kann keine Nazi-Straße bleiben. Der Name ist verbrannt."

Von den Ergebnissen des Arbeitskreises erhofft sich der Gemeinderat eine Entscheidungshilfe dahin gehend, ob die Straße einen anderen Namen oder doch nur eine Informationstafel bekommen soll. Eine Rolle spielen sollen dabei Antworten auf Fragen wie die, welche Aufgaben Wenz bei der Ausübung seiner NS-Ämter hatte, welchen Einfluss er auf die öffentliche Meinung nahm oder ob es noch Briefe oder Tagebücher gibt, die Aufschluss über die Familie Wenz geben könnten.

Der Wenzberg trage seinen Namen nicht zur Verherrlichung der Familie, sagte Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI): Noch zu Lebzeiten soll sich in der Ickinger Bevölkerung der Name Wenzberg für die Straße, an welcher der Architekt sein Haus baute, durchgesetzt haben. Das ergaben Recherchen von Claudia Roederstein (UBI) und dem Zweiten Bürgermeister Peter Schweiger (PWG, auch Gemeindearchivar), die sich aus dem Staatsarchiv München, dem Ickinger Archiv und dem Bundesarchiv Berlin mit Informationen und Dokumenten eingedeckt hatten.

Es dauerte nicht lange, bis klar war, dass die Mehrheit noch keinen Beschluss fassen wollte. "Eine Umbenennung würde zu schnell gehen", sagte Gabriel Baumüller (SPD/Grüne); es sei "wertvoller, sich noch länger damit zu beschäftigen". Otto Güllich (Ickinger Initiative) sagte, eine Umbenennung wäre "ein Kurzschluss - und den haben wir nicht mehr nötig". Alfred Vogel (Ickinger Initiative) erklärte, man könne sogar "auch Positives über Wenz schreiben", etwa über seine Architektur. Georg Linsinger (UBI) übte Kritik an Christoph Kessler: Der Gründer des Vereins Klangwelt Klassik hatte die Gemeinde vor vier Wochen in einem offenen Brief zur Umbenennung des Wenzbergs aufgefordert und dadurch "Druck reingebracht", sagte Linsinger. Diese Kritik äußerte auch Roederstein: "Einen schwierigeren Einstieg als diesen in ein so sensibles Thema hätten wir nicht haben können."

Eine klare Ablehnung brachte allein Mielich zum Ausdruck. Wenz sei nicht irgendwer gewesen, sondern ein linientreuer Nationalsozialist, der "nicht für eine Firma, sondern für den NS" gearbeitet habe. "Er hat gebaut für ein faschistisches System, und das anscheinend aus voller Überzeugung", sagte Mielich. "Er war einfach ein Nazi und diese Straße wird nach einem Nazi benannt sein."

Menrad hatte eine Befragung der Anlieger des Wenzbergs veranlasst, um herauszufinden, wie diese zu einer Umwidmung der Straße stünden. Von 69 Fragebögen kamen 53 zurück, eine Quote von 77 Prozent. Von diesen wollten 43 Haushalte beim Namen "Wenzberg" bleiben, zwei waren unentschieden und acht plädierten für eine Namensänderung. Laut Verfassung haben Anwohner das Recht, dass ihre Bedenken bei einer Umbenennung berücksichtigt werden - die dabei entstehenden Kosten, welche die Anlieger selbst tragen müssten, seien allerdings kein Grund für eine Ablehnung, sagte Menrad. Dass das Thema virulent ist, zeigte sich an den Zuhörern, welche die Gemeinderatssitzung zahlreich verfolgten.

Zu Beginn der Sitzung las Menrad einen Brief vor, den ihr eine ehemalige Ickingerin jüdischer Abstammung zugeschickt habe. Bei ihrem Nachbarn Wenz sei diese damals ein- und ausgegangen: Die Vergangenheit sei bekannt gewesen, auch in der Schule habe es etliche "teils unbelehrbare oder geläuterte Altnazis" gegeben. "Vergessen nein, vergeben ja - das sollte auch für Wenz gelten", hieß es in dem Brief weiter: Eine Tafel solle auf die problematische Vergangenheit hinweisen, ansonsten solle die Straße "so belassen" werden. Wenz kam 1916 mit seiner Frau, der Illustratorin Else Wenz-Viëtor, nach Icking. Dort prägte er mit seiner Architektur das Ortsbild.

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SZ vom 04.02.2017
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