Süddeutsche Zeitung

Vergewaltigung in Geretsried:Blackout als Entschuldigung

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Ein junger Mann gesteht, eine 28-jährige Stripperin in einem Tabledance-Club vergewaltigt zu haben. Vor dem Landgericht präsentiert er eine dürftige Ausrede.

Christian Rost

In einem oberbayerischen Dorf aufzuwachsen kann für einen Buben asiatischer Herkunft eine schlimme Erfahrung sein. Keno T. (Name geändert) wurde von den Gleichaltrigen im Ort als "Neger" beschimpft, in Büsche geschubst und ansonsten links liegen gelassen. Auch in seiner Familie stand es nicht zum Besten. Das Zusammenleben mit dem Stiefvater sei schwierig gewesen, erzählt der 22-Jährige am Dienstag am Landgericht München II. Er flüchtete sich schließlich in Drogen und Alkohol und driftete in eine irreale Welt ab, in der er Grenzen nicht mehr erkannte. Das brachte ihm nun eine Anklage wegen Vergewaltigung ein.

Der junge Mann zog am 13. Januar auf der Suche nach Abwechslung und Anschluss durch die Kneipen in Geretsried. Zunächst trank er in einem griechischen Lokal drei Bier und drei Ouzo. Dann wechselte er in die "Lagune", wo er weitere zwei Bier und zwei Gläser Havanna Cola trank. Er war schon deutlich benebelt, als er dann auf der Straße mit einer Gruppe von fünf Leuten in Streit geriet. Ehe die Situation eskalierte, rief Keno T. mit seinem Handy die Polizei. Die Streifenbeamten rieten dem Nachtschwärmer, sich auf den Heimweg zu machen. Das war trotz fortgeschrittener Stunde gegen 3 Uhr aber noch zu früh für den Auszubildenden. Was er denn gesucht habe?, will der Vorsitzende Richter Martin Rieder wissen. "Na ja", sagt T., "Sex halt."

Prostitution ist in vielen Städten mit bis zu 50 000 Einwohnern verboten, so auch in Geretsried. Dort kann man sich nackte Tatsachen höchstens ansehen, zum Beispiel in einem Tabledance-Club. Je nach Bezahlung legen die Damen dort im Separee bei einem kleinen oder großen Tanz ihre Kleidung ab. Dorthin also verschlug es Keno T., der sich allerdings erst übergeben musste, bevor er weitere zwei Bier trinken konnte. Einigermaßen auf den Beinen, wandte er sich schließlich den Tänzerinnen zu.

Eine nach der anderen bestellte er in sein mit einem Vorhang verhängtes Kämmerchen und ließ sie strippen. Immer wieder fragte er: "Sex, wie viel kostet?", doch die Damen lehnten ab: "Only dance." Je 60 Euro für die beiden ersten Tänzerinnen hatte er ausgegeben, als er eine 28-Jährige erneut zu einem "großen Strip" aufforderte. "Da habe ich dann ein bisschen mitgetanzt", sagt T., und als sich die Frau auf seinen Schoß gesetzt habe, hätte er sie festgehalten.

Er hat sie eben nicht nur festgehalten, wie er schließlich einräumt. Er hat sie gepackt und auf die Couch im Separee gedrückt. Die Tänzerin versuchte sich mit Händen und Füßen zu wehren, hatte gegen den Angeklagten, der in seiner Jugend mit Kickbox-Auftritten ein bisschen Geld verdiente, aber keine Chance. Er hielt ihr den Mund zu, riss ihren Kopf nach hinten, so dass sie beinahe keine Luft mehr bekam, und fasste er ihr zwischen die Beine. Weil sie sich weiter wehrte, wurde T. richtig brutal. Mit den Fäusten und der Handkante schlug er auf sie ein, und als die Tänzerin vermutlich kurzzeitig bewusstlos wurde, vergewaltigte er sie.

Zwei Minuten dauerte das, bis Angestellte des Clubs den Vorhang öffneten, um nach der Kollegin zu sehen. Keno T.s Entschuldigung vor Gericht klingt eher wie eine Ausrede: "Ich hatte einen Blackout." Der Prozess wird fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2013
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