Süddeutsche Zeitung

Tourismus in Bad Tölz-Wolfratshausen:Hier voll, dort leer

Lesezeit: 3 min

In Zeiten der Pandemie profitieren vor allem die Ferienwohnungsanbieter im Landkreis. Dort können die Gäste unter sich bleiben. Hotelbetreiber müssen teils hohe Verluste verkraften. Die Regulierungen einzuhalten, ist kompliziert.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Langsam gleitet die Kamera über das türkise, von silbrigen Sonnenreflexionen durchzogene Wasser des Walchensees. Ein einsames Ruderboot zieht seine Bahn. Ein Holzsteg mit Liegestühlen und Sonnenschirmen rückt ins Bild, ehe das Video auf das Seehaus in Urfeld schwenkt. So wirbt der Betrieb auf der Homepage von "Tölzer Land Tourismus" für seine Ferienappartements. Wer spontan buchen möchte, kommt dort zu spät. Ein Klick auf den Belegungskalender zeigt, dass monatelang nichts mehr frei ist.

Sind die Tourismusbetriebe im Tölzer Landkreis also während der Virus-Pandemie womöglich besonders gefragt? Das scheint Hans Oswald im nur 2,5 Kilometer entfernten Seppenbauernhof in der Sachenbacher Bucht zu bestätigen. "Mehr wie voll geht nicht", erklärt der Landwirt am Telefon. Die fünf Ferienwohnungen und das Strandhaus für Urlaubsgäste sind während der Sommermonate belegt. Aber das ist für ihn nichts Besonderes. Die Besucher buchten schon immer ein Jahr im Voraus für ihre nächsten Sommerferien, sagt er.

Die Landwirtsfamilie war froh, zu Pfingsten nach drei Monaten Lockdown wieder vermieten zu dürfen. "Kurzfristig hat es da mehr Anfragen gegeben", schildert Oswald. Aber was solle er machen? Urlaub am Walchensee sei eben sehr beliebt. Problematischer sei gewesen, dass er allen Gästen für die Zeit des Lockdowns wieder absagen musste. Jetzt halte die Familie strikte Hygienevorschriften ein, desinfiziere die Ferienwohnungen regelmäßig. Nur die Sauna bleibe vorsorglich zu, obwohl er seit Montag öffnen könnte.

Die Ferienwohnungsvermieter zählen wohl zu den Ausnahmeprofiteuren der Pandemie. Weil die Urlaubsgäste in dieser Unterkunftsform so einfach wie kaum anderswo unter sich bleiben und größere Menschenansammlungen meiden können, sind sie beliebt. Dieser Eindruck hat sich auch bei Brita Hohenreiter verfestigt. Die Tölzer Kur- und Tourismusdirektorin spricht davon, dass der Lockdown im April und Mai die Stadt 70 000 Übernachtungen gekostet habe: "Das werden wir nicht mehr aufholen können."

Zu Pfingsten sah es kaum besser aus. Über die Feiertage sei die Buchungslage "lausig" gewesen, berichtet Hohenreiter. Nur einige Hotels mit Halbpension hätten ihre Zimmer gut belegen können. Dort hätten die Gäste wenigstens gewusst, dass sie etwas zu essen bekommen. Die Unsicherheit der Gäste sei deutlich zu spüren, ob und welche Restaurants etwa offen haben. Erst Ende der zweiten Pfingstferienwoche seien mehr Gäste angereist. Radlergruppen hätten sie und ihr Team kaum unterbringen können. Der Wohnmobilstellplatz an der Isar sei an seine Belastungsgrenze gekommen. Wenn Bad Tölz heuer 65 bis 70 Prozent der Übernachtungszahlen der Vorjahre erreiche, werde die Kreisstadt mit blauen Augen davonkommen. "Wir werden dieses Jahr noch mehr damit leben müssen, dass Buchungen kurzfristig kommen", glaubt Hohenreiter.

So komplex wie der Begriff Infektionsschutzmaßnahmenverordnung klingt, sind die Bestimmungen, unter denen die Gastgeber öffnen dürfen. Die Unterlagen füllen im Büro von Christoph Seitz mehrere Aktenordner. Noch genau überlegen muss der Direktor des Lenggrieser Arabella Brauneck Hotels, ob und wie er die Sauna in seinem Haus öffnen kann. Für jeden Sitzplatz muss er den Abstand markieren. Dafür auch bei Temperaturen von 90 Grad haltbares Material zu finden, sei schwierig, sagt er. Das Dampfbad muss sowieso geschlossen bleiben. Mindesttemperaturen von 60 Grad sind vorgeschrieben. Es sollte regelmäßig stoßgelüftet und die Ruheliegen mindestens 1,5 Meter auseinandergestellt werden.

So könnten in den Saunabereich nur weniger Gäste eingelassen werden. "Da stellt sich die Frage, ob das wirtschaftlich ist", sagt Seitz. Zudem müsste er sogar einen Mitarbeiter abstellen, um das zu überwachen. Bis geklärt ist, wie die Regeln umzusetzen sind, bleibt die Sauna im Arabella Brauneck Hotel also erst einmal zu. In erster Linie ist der Direktor froh, dass sein Hotel wieder offen hat. Doch das Geschäft läuft schleppend. Nur 60 bis 65 Prozent der Zimmer im Haus werde er im Juni belegen können, rechnet er. "Was in Ordnung ist. Grundsätzlich bräuchte es aber mehr, um lukrativ zu sein."

Im Gegensatz zu Pensions- oder Ferienwohnungsvermietern lebt er im Betrieb vor allem von Tagungsgästen. Dort sei die Wertschöpfungskette am höchsten. Derzeit buche aber kaum ein Unternehmen Seminare. Und das, obwohl er die geforderten Abstände zwischen den Teilnehmern gut einhalten könne. "Das ist ein Totalausfall." Heuer schätzt er, 50 Prozent weniger Umsatz als sonst zu machen. Keinen seiner 50 Mitarbeiter inklusive Aushilfen habe er aber entlassen müssen, sagt er. Im Herbst fingen sogar neue Lehrlinge an. Nur die drei, die derzeit ihre Abschlussprüfungen machten, könne er nicht übernehmen.

Fast so voll wie immer ist der Campingplatz beim Fischer der Familie Huber in St. Heinrich am Starnberger See. "Wir haben eine sehr hohe Nachfrage", berichtet Susanne Huber. "Die Leute freuen sich, dass sie draußen sein können." Nur unter den Dauercampern trauten sich zwei langjährige, über 80-jährige Stammgäste derzeit noch nicht auf den Platz. Das Hygienekonzept in den Gemeinschaftssanitäranlagen hielten alle gut ein. Besonders lobt sie, dass das Tölzer Landratsamt und die Mitarbeiter von "Tölzer Land Tourismus" bei allen Fragen zu Corona sofort unterstützten.

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SZ vom 26.06.2020
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