Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Vom Malz zur Maß" (Folge 6):Traditionelle Verfahren, neue Aromen

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Das Tölzer Mühlfeldbräu braut neben dem Standard-Sortiment auch Spezialbiere von Festmärzen bis Indian Pale Ale - mit frischen Geschmacksrichtungen.

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Sebastian Heuschneider ist Braumeister, weiß aber auch einen guten Wein zu schätzen - und kennt sich damit auch aus. "Ich habe mich immer schon für gutes Essen und Trinken interessiert. Und für die Frage: Wie wird das hergestellt?", sagt der 33-Jährige. Also nahm er sich 2014 eine eineinhalbjährige Auszeit vom Job, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Er arbeitete in der Küche eines Restaurants in Hechenberg, in der Metzgerei der Hermannsdorfer Landwerkstätten, in der Großmarkthalle in München, auf einer Alm am Demmeljoch und auf einem Weingut an der Mosel. Im Januar 2016 kehrte er um all diese neuen Erfahrungen bereichert nach Bad Tölz an die Braukessel des Mühlfeldbräu zurück. Dort war er 2009 nach einer Ausbildung zum Brauer und Mälzer in Holzkirchen und dem Abschluss der Brauerschule der Doemens-Akademie in Gräfelfing als einer von zwei Braumeistern eingestiegen. Nach dem Stegbräu war das Mühlfeldbräu 2008 die zweite Neugründung nach dem Niedergang der großen Tölzer Brautradition. Die Brauerei in der Bahnhofstraße war der erste Betrieb, der wieder gewerbsmäßig produzierte.

Das Standard-Sortiment umfasst ein Helles und ein Weißbier, beide ungefiltert und laut Auskunft der Website "handgemacht" sowie als Neuzugang das gefilterte TMB Hell, bei dem der Zusatz "handgemacht" fehlt. Was hat es damit auf sich? "Wir sind einfach an unsere Kapazitätsgrenze gestoßen - die Nachfrage war größer als unser Angebot", erklärt Heuschneider. "Denn wir brauen jeden Monat ein wechselndes Spezialbier, was Kesselkapazitäten beansprucht. Alleine der Weihnachtsbock braucht ein halbes Jahr Lagerzeit." Folglich war zu überlegen, ob man weniger Spezialbiere herstellt oder einen Teil der Standardproduktion auslagert. Letzteres ist nun mit dem TMB Hell geschehen: Das braut auch Heuschneider, aber bei der Brauerei Wimmer in Bruckberg bei Moosburg, die Herstellungskapazitäten frei hat. Dort wird das Bier filtriert, in Flaschen gefüllt und zum größten Teil über Getränkemärkte vertrieben.

Nach der Reife im Tank wird das Bier in großen Betrieben vor dem Abfüllen generell filtriert. Hefe und Eiweißstoffe werden entfernt. Das Bier ist dann länger haltbar, wie der Braumeister erläutert. Ungefähr ein halbes Jahr kann man es lagern. Nicht filtriertes Bier hält dagegen ungefähr drei Monate. "Wir filtrieren aber trotzdem nicht, weil dabei eben auch Geschmacksträger entfernt werden. Das unfiltrierte Bier schmeckt also voller, vielschichtiger", sagt Heuschneider.

Während Helles und Weißbier das verlässliche Grundsortiment darstellen, wird bei den Spezialbieren wild experimentiert. Da gibt es beispielsweise ein Eis-Weißbier: "Das ist sozusagen aus Versehen entstanden, als um 1890 ein Lehrling einmal ein Fass Weißbier im Frost hat stehen lassen", erzählt Heuschneider. Statt der ursprünglichen 30 Liter seien dann bloß noch zehn da gewesen, "aber der Geschmack war unglaublich konzentriert". Und nun wird das Bier im Tank eben absichtlich tiefgefroren: Das Wasser friert aus, der Rest wird konzentrierter, das Bier folglich stärker und gehaltvoller. Dann gibt es Sorten, die zu speziellen Anlässen hergestellt werden wie das Leonhardi-Weißbier oder der Weihnachtsbock. Jetzt im September gibt es ein Festmärzen, das sich durch eine höhere Stammwürze auszeichnet, also einen etwas höheren Alkoholgehalt hat.

Auf der Homepage der Brauerei kann man nachlesen, welcher Hopfen und welche Malze dafür verwendet wurden, wie das Bier aussieht und schmeckt: Es ist demnach bernsteinfarben-goldbraun, hat einen Alkoholgehalt von 5,8 Volumenprozent und süßliche, malzige Aromen. "Ein sehr süffiges und rundes Bier", heißt es auf der Homepage.

Auch vor Bieren, die aus der Craft-Beer-Szene stammen, hat man beim Mühlfeldbräu keine Scheu: Amber Ale, Pale Ale und India Pale Ale kommen ebenfalls in die Kessel. Natürlich werden die Vorgaben des Reinheitsgebotes beachtet, sonst dürfte das Getränk hierzulande nicht als Bier verkauft werden. Für diese Biere verwenden die Brauer Aromahopfen, der beispielsweise Zitrusaromen mitbringt. Der fruchtige-herbe Geschmack kommt beispielsweise beim Pale Ale durch die Sorten bayerische Cascade und Mandarina Bavaria, beide aus der Hallertau, und durch die obergärige Hefe zustande. Das Indian Pale Ale wird kaltgehopft, der Hopfen wird also nicht schon beim Würzekochen zugeben, sondern erst in den Lagertank. Dadurch bleibt das Hopfenaroma besonders gut erhalten.

Von den Spezialbieren werden jeden Monat zwei Sude à 500 Liter gebraut. Der Gesamtausstoß beträgt 160 Sude zu 500 Litern im Jahr, also 80 000 Liter. Davon wird etwa ein Drittel gleich in der hauseigenen Gastwirtschaft, dem "Gasthaus" ausgeschenkt. Der Rest wird in Flaschen und Fässern abgefüllt an Getränkemärkte und Lokale in der Region, aber auch nach München geliefert. Einiges geht im Fünf- bis Dreißigliterfass direkt zum Endverbraucher für Grillfeste, Geburtstags- oder Betriebsfeiern.

Eine Besonderheit pflegt das Mühlfeldbräu bei den Flaschengrößen: Es gibt 0,33- und Einliterflaschen, aber nicht die gängige 0,5er Größe. "Anfangs war unser Bier nur in der Literflasche mit Bügelverschluss zu kaufen, weil wir es eher als Geschenkidee gehandelt haben", erklärt Heuschneider. Als die Nachfrage wuchs, kam die kleine Flasche mit Kronkorken dazu. Die gängige Halbliterflasche noch mit ins Sortiment zu nehmen, würde die Vorratsplanung zu schwierig gestalten. Jedenfalls noch - doch der Betrieb ist von Anfang an auf stetem Wachstumskurs. "Es kommt immer wieder etwas Neues dazu; wir investieren ständig, sind es aber immer langsam angegangen." Ausgefeilter PR-Strategien bedarf es dazu nicht. Die junge Mannschaft des Mühlfeldbräu, Geschäftsführer Achim Bürklin, die beiden Braumeister Heuschneider und Wolfgang Sappl, zwei Lehrlinge, ein Vertriebsangestellter und ein Bierfahrer, lässt die Dinge gerne auf sich zukommen. Getreu der Maxime "Ein gutes Produkt vermarktet sich von alleine!". Die bisherige Entwicklung hat das bestätigt. Der Trend zum bewussteren Umgang mit Nahrungsmitteln, die Hinwendung zu Produkten aus der Region komme ihrer Geschäftsidee natürlich entgegen, sagt Heuschneider. Aus diesem Grund entstehen in jüngster Zeit vermehrt kleine Betriebe, die dem "Einheitsgeschmack der Großbrauereien" etwas entgegensetzen möchten. Individuellere Geschmacksrichtungen sind zunehmend gefragt; eine Entwicklung, die von der aus den USA herüber geschwappten Craft-Beer-Welle angestoßen wurde.

Wobei die Grenzen verschwimmen: Versteht man Craft-Beer schlicht als handwerklich gebrautes Bier, würde das auf sehr viele, vor allem kleine Betriebe zutreffen. "Und auf alle unsere Sorten eben auch. Aber der Begriff zielt auch auf die Idee ungewöhnlicher, neuer Biersorten, die in Deutschland noch nicht bekannt sind", erläutert Heuschneider. "Oder auf solche, die in Vergessenheit geraten sind wie Märzen oder Dunkler Bock." Beim Mühlfeldbräu nimmt man sich ihrer an - und liegt mit der Herstellung von etwa 22 verschiedenen Sorten im Jahr voll im Trend. Konkurrenz zwischen den neuen Brauereien gibt es nicht, im Gegenteil: Man hilft sich mit Rat und Tat. "Wenn ich zum Beispiel vergesse, Malz zu bestellen, gibt es einige Kollegen ringsum, die ich schnell mal anrufen und um einen Sack Malz bitten kann. Das funktioniert problemlos." So haben bei der Eröffnung des Binderbräus, dem jüngsten Tölzer Betrieb, alle zusammen gefeiert - und gebraut. "Für nächstes Jahr planen wir ein Bierfestival in Tölz, bei dem sich Klein- und Kleinstbetriebe vorstellen. Und auch ein Bier- und Weinmarkt hier bei uns auf dem Hof soll stattfinden", kündigt Heuschneider an. Anlass zur Vorfreude für Bierliebhaber - und für Weintrinker: Denn nach der Beobachtung des Braumeisters stehen diese den neuen Biersorten außerordentlich aufgeschlossen gegenüber.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2016
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