Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Schlaganfall-Reha statt Seniorenstift

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In Ambach könnte anstelle des Altenheims eine Klinik für 95 Patienten entstehen. Der Gemeinderat signalisiert Zustimmung - sogar die Kritiker sind nicht abgeneigt.

Von Benjamin Engel, Münsing

In Ambach hält der Gemeinderat dem "Kuratorium Wohnen im Alter" (KWA) zwei Optionen offen. Einerseits hat der Gemeinderat am Dienstag das Verfahren für den Bau eines Seniorenwohnstifts mit bis zu 80 Wohnungen in Gang gebracht. Ein Architektenwettbewerb wird folgen. Sollte das Projekt scheitern, hat das KWA aber eine Alternative. Dann will das gemeinnützige Unternehmen mit Sitz in Unterhaching ein Gesundheitszentrum mit der Spezialisierung auf die Schlaganfall-Therapie für bis zu 95 Patienten bauen. Das KWA greift dafür auf das Baurecht aus dem Vorbescheid eines früheren Investors zurück. Für die Nutzung signalisierte der Gemeinderat ebenfalls Zustimmung.

Umstritten bleibt der Bau des Wohnstifts für Senioren. Matthias Richter-Turtur (Wählergruppe Ammerland) warnte vor dem Aufwand, einen vorhabensbezogenen Bebauungsplan für das KWA-Projekt aufzustellen. Er warb dafür, die alternative Planung für ein Gesundheitszentrum weiterzuverfolgen. "Wenn wir das genehmigen ist die Gemeinde raus und alles weitere ist Sache des Landratsamts", sagt er. Es gebe Bedarf zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen im Landkreis.

Mit dem Begriff "Wohnstift" haderte Richter-Turtur. Damit verbinde er eine karitative Einrichtung. Stattdessen entstehe eine Luxuswohnanlage für Senioren. Ebenso sah er keine Veranlassung das Vorhaben weiterzuverfolgen. "Es handelt sich um Außenbereich", sagte er. Und der müsse nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich von Bebauung frei gehalten werden.

Um die Frage des Baurechts gibt es seit dem Kauf des Areals durch KWA Anfang 2016 Debatten. Teile des Ostuferschutzverband (OSV) argumentieren, dass wegen des Außenbereichs keines bestehe. Daher könnte eine grüne Wiese die früheren Gebäude der Wiedemann-Klinik ersetzen. Noch in der diesjährigen Bürgerversammlung hatte Landrat Josef Niedermaier (FW) aber bestritten, dass es sich um Außenbereich handele. Aus Sicht des Landratsamts ist das juristisch unklar ausgedrückt. Doch argumentiert die Behörde, dass durch den Vorbescheid für das Gesundheitszentrum und den Bestandsschutz der existierenden Gebäude Baurecht besteht.

In einem Bebaungsplanverfahren sieht Bürgermeister Michael Grasl (FW) die größtmögliche Mitwirkung des Gemeinderats sichergestellt. "Es geht um Qualität, ein hohes Maß an Verantwortung und die Nachvollziehbarkeit des Verfahrens", sagte er. Für das Wohnstift soll jetzt ein Workshop-Verfahren mit vier Planungsbüros folgen. Sie sollen Varianten für eine Bebauung vorlegen. Je zwei sollen die Kommune und das KWA vorschlagen. Die Vorschläge sind zunächst anonym bei der Gemeinde einzureichen. Als Fachberater sind der Tölzer Kreisbaumeister, Andreas Hainz, und Joachim Kaschek von der Unteren Naturschutzbehörde, Bernhard Herrmann vom Landesamt für Denkmalschutz vorgesehen. Die Gemeinde will einen Stadtplaner und einen Landschaftsarchitekten benennen. Das KWA soll einen weiteren Architekten vorschlagen können.

Als Vorgabe gilt eine maximale Wohnfläche von 4377 Quadratmetern. Der schützenswerte Baumbestand soll so weit wie möglich erhalten werden. Es ist zu prüfen, ob das zentrale Waldschlösschengebäude, um das sich die frühere Wiedemann-Kurklinik entwickelt hat, erhalten werden kann. Für Baumamtsleiter Stephan Lanzinger ist Ziel der Planung, eine auf die dörfliche Situation abgestimmte Nachfolgenutzung des Areals festzusetzen. Diese r Standort sei für ein Seniorenwohnstift und damit eine Einrichtung für soziale Zwecke aus Sicht der Verwaltung geeignet.

Käme das Gesundheitszentrum zum Zuge, will KWA das frühere Praxishaus abreißen. Das große Panoramahaus im Nordosten des Geländes würde bis zum Sockelgeschoss niedergerissen und in den selben Maßen neu errichtet. Zwei weitere Gebäude würden saniert. In einem Schreiben an die Kommune zog der OSV diese Planung einem Seniorenwohnstift vor. Diese sei der mildere Eingriff in das Gelände, den Baumbestand und die Kulturlandschaft. Für ein Wohnstift gebe es noch nicht einmal Wirtschaftlichkeitsberechnungen.

Ebenso hat sich der Gemeinderat mit dem letzten im Besitz der Familie Wiedemann verbliebenen früheren Klinikgebäude beschäftigt. Dieter Wiedemann hatte beantragt, das Haus für zwei bis drei Wohnungen umzubauen. Dies wurde mit Verweis auf den Außenbereich abgelehnt. Laut Bauamtsleiter Lanzinger sei eine Wohnnutzung dort nicht zulässig. Allerdings stellte er in Aussicht, dass durch das Bebauungsplanverfahren für das Wohnstift eine andere Bewertung möglich sein könnte.

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SZ vom 29.09.2017
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