Süddeutsche Zeitung

Siedlungsdruck in Icking:Zubetoniert und versiegelt

Lesezeit: 3 min

Die Ickinger fürchten den Siedlungsdruck und beobachten mit Sorge, wie der Ort zugebaut wird. Der Bund Naturschutz fordert eine Strategie von der Gemeinde und diskutiert mit Bürgern über Lösungen.

Von Susanne Hauck, Icking

In Icking geht eine Veränderung vor sich. Sie ist für jeden sichtbar: Große bewaldete Grundstücke wie am Wenzberg und am Fuchsbichl werden derzeit abgeholzt. Die einzelnen alten Häuschen sind schon platt gemacht, das Baurecht gibt es her, dass stattdessen mehrere Doppelhäuser entstehen können. Wie sehr die Bürger fürchten, dass asphaltiert, zubetoniert, versiegelt wird, zeigte der gut frequentierte Vortrags- und Diskussionsabend "Wie schaut's denn hier aus? Bauwut und Asphaltflut in Icking", zu dem der Ickinger Bund Naturschutz in den Gasthof Klostermaier eingeladen hatte.

"Was soll aus der Perle des Isartals werden?", wollte Ortsvorsitzende Beatrice Wagner von Christian Hierneis wissen. Er ist einer der schärfsten Kritiker der Grünflächenversiegelung. Der Landesvorstand vom Bund Naturschutz sieht das Schicksal Ickings eng gekoppelt an die Entwicklung Münchens, wie er in einem rund einstündigen Vortrag darlegte. Die Metropole kurbele die Zahl der Arbeitsplätze bewusst an, durch den immensen Zuzug von überall her könnten sich viele die Mieten nicht mehr leisten und wichen aufs Land aus. Stattdessen sollten lieber die strukturschwachen Gebiete gestärkt werden, um die Menschen davon abzuhalten, nach München zu ziehen, ist sein Vorschlag. Für Hierneis ist der Siedlungsdruck ein hausgemachtes Problem: Schuld daran sind die Politiker, die keinen Plan haben, wie die Großstadt in 20 Jahren aussehen soll.

Auch Icking hat seine Zukunft selber in der Hand, war seine Kernaussage. "Einen Zaun können Sie nicht bauen", antwortete Hierneis den rund 35 Zuhörern, die wissen wollten, wie es konkret mit ihrem Ort weitergehen soll. Aber ob der Zuzug angeheizt werden soll, darüber könne die Gemeinde entscheiden: "Will ich mehr Menschen nach Icking holen oder nicht?" Dafür braucht es eine Strategie, auch wenn die Gemeinde klein ist, beschwörte er die Anwesenden. Dass Icking lediglich rund zwölf Bauanträge im Jahr genehmigt, Bauland nur im Einheimischenmodell und kein Gewerbegebiet ausweist, wie Gemeinderätin Claudia Roederstein (UBI) unterstrich, ist für Hierneis der richtige Weg. "Wieviel Bauanträge in zehn Jahren vorliegen, wieviel Grünflächen in 30 Jahren noch übrig sein sollen, das muss sich die Gemeinde überlegen", sagte er und empfahl, über Bebauungspläne Vorgaben zu machen. "Es können nicht nur Luxuswohnungen entstehen." Geschosswohnungsbau, das sei am flächenfreundlichsten, hakte Lisa Häberlein (SPD/Grüne) ein.

Emotional wurde es, als Erich Rühmer aufstand und den dringenden Appell an Icking richtete, dem Siedlungsdruck um jeden Preis standzuhalten. Der Altbürgermeister von Schäftlarn und Vorsitzende des Isartalvereins beschrieb eindringlich, wie sehr seine Gemeinde unter dem Druck aus München und dem Freizeithunger der Städter leide. "Gehen Sie ja nicht von den großen Grundstücken weg", mahnte er mehrmals. Für Rühmer macht eine Baumschutzverordnung Sinn, wie sie in Schäftlarn schon seit 1974 existiert. Daran zweifelten einige. Gartenbesitzer würden aus Angst vor der Verordnung gar nichts mehr pflanzen, waren Georg Frechs Bedenken. Der CSU-Gemeinderat sorgte sich außerdem um die gesunden Bäume, die von den kranken, aber geschützten angesteckt werden könnten. Dass die Investoren die Bäume trotzdem abholzen und selbst hohe Geldstrafen in Kauf nehmen, befürchtete Gemeinderat Christian Mielich (SPD/Grüne). "Denen ist es wurscht, ob sie 10 000 Euro zahlen müssen." Aus dem Publikum kam die Anregung, einen Landschaftsplan einzuführen, um schützenswerte Bereiche zu erhalten, was aber nicht weiter diskutiert wurde.

Viele der Anwesenden sehnten sich nach den früheren Zeiten mit den schönen großen Grundstücken zurück und kritisierten, dass die neuen Nachbarn mitleidlos die alten Bäume umsägen würden, "weil sie ihnen die Sonne wegnehmen und Dreck machen". Die Leute zögen heutzutage vor allem aus Statusgründen nach Icking, klagte eine Frau. Ihnen sei am wichtigsten, einen pflegeleichten Garten zu haben. "Alles wird zugepflastert und es bleiben nur ein paar sterile grüne Flächen." Dass es nicht sein kann, dass in einem Dorf wie Irschenhausen ganze "Batterien an Doppelgaragen" entstehen, die "schon fast wie Einfamilienhäuschen aussehen", rügte eine andere. Und überall die Platten. Je mehr, desto besser. Sie sah die Gemeinde in der Pflicht. Die müsse für Dinge, die wichtig seien, Werbung machen. "Wieso versucht sie hier nicht, Einfluss zu nehmen?" Das hätten einige der anwesenden Gemeinderäte wohl gern kommentiert. Aber die Diskussion wurde an diesem Punkt geschlossen.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2018
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