Süddeutsche Zeitung

Reichersbeuern:Warum ein Wikinger-Schiff in Bayern liegen bleibt

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Andreas Melf baut und verkauft ein 15 Meter langes Boot. Das Geld hat er, nur wird er den Kahn nicht los.

Von Klaus Schieder, Reichersbeuern

Vorne ein stilecht geformter Drachenkopf, sieben bunte Wappen an jeder Seite, ein hoher Mast mit rot-weißem Segel: Mehrere Monate lang hatten Andreas Melf und seine Freunde mit viel Liebe zum Detail an dem Wikingerschiff gebastelt, das zu den großen Attraktionen des Faschingszugs gehörte, der sich am 15. Februar von Reichersbeuern bis in die Tölzer Fußgängerzone hinein bewegte.

Die mühsame Arbeit hatte sich also gelohnt. Danach stellte sich für Melf die Frage, was mit dem Schiff geschehen sollte. Noch in der Woche nach dem Gaudiwurm bot er das Drachenboot im Internet zur Versteigerung an. Bei dieser Auktion fand er einen Käufer, der auch bezahlte. Aber dann passierte das Absonderliche: Der neue Eigentümer holte das Schiff nie ab. Noch immer steht es vor dem Anwesen des Erbauers in Reichersbeuern.

Andreas Melf schaltet sogar einen Anwalt ein

Über die Höhe der Kaufsumme mag Melf nicht sprechen. Angesichts der zahlreichen Arbeitsstunden, die er und seine Mitstreiter investiert haben, dürfte es sich aber um einen nicht unerheblichen Betrag handeln. Umso verwunderlicher, dass sich der neue Besitzer trotz der geleisteten Zahlung erst selten und dann gar nicht mehr meldete.

Immer wieder habe er versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen, per Telefon oder über E-Mails, aber "die Rückmeldungen des Eigentümers waren sehr spärlich", erzählt Melf. Der Kunde, der auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken durchaus aktiv ist, habe "wenig bis kein Interesse mehr gezeigt - das war mein Eindruck". Der Reichersbeurer schaltete sogar einen Anwalt ein, der dem Käufer eine Frist setzte. Ebenfalls ohne Erfolg.

Einen Teil der Kaufsumme hätte Melf gespendet

Ein Grund für dieses seltsame Verhalten könnten womöglich die Kosten für den Transport des Schiffs sein. Das vermutet jedenfalls Melf. Die Lieferung des 15 Meter langen Boots hatte er nach dem Kauf umgehend in die Wege geleitet und sich mit einem Spediteur abgesprochen. "Aber die Zahlung für den Transport ist nie zustande gekommen", sagt er. Der Verkauf hat sich für ihn inzwischen "komplett zerschlagen".

Sein Anwalt soll das Geschäft rückabwickeln. Die Kaufsumme hätten Melf und seine Freunde nicht völlig für sich behalten. "Einen Teil davon hätten wir gespendet", sagt der Reichersbeurer. Verblüfft zeigt sich auch Klaus Hochwind, Organisator der Faschingszugs, der alle zehn Jahre stattfindet und heuer gut 33 000 Besucher anlockte: "Das Schiff ist da, das Geld ist da. Schon merkwürdig."

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Quelle:
SZ vom 28.10.2015
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