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Neuer Kreisbrandrat:"Dankbarkeit ist die beste Bezahlung"

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Seit 34 Jahren rückt Erich Zengerle immer aus, wenn es irgendwo brennt oder es jemanden zu retten gilt. Als Kreisbrandrat hat er seit August das höchste Feuerwehramt im Landkreis inne. Ein Gespräch über Kameradschaft, Schockmomente und ein Leben in Alarmbereitschaft

Interview von Elisa Henning, Egling

Er lebt für die Feuerwehr. Erich Zengerle war einfache Einsatzkraft, Kommandant, Kreisbrandmeister - und seit 1. August ist der 52-Jährige nun Kreisbrandrat. Der gelernte Schreinermeister hat alle Hierarchiestufen durchlaufen. Nach 34 Jahren im Dienst leitet er nun das Feuerwehrwesen im Landkreis Bad Tölz- Wolfratshausen.

Herr Zengerle, seit wann sind Sie bei der Feuerwehr?

Erich Zengerle: Seit 34 Jahren bin ich jetzt bei der Feuerwehr, ich habe in Egling angefangen. Der damalige Kommandant ist, bei Jugendlichen im richtigen Alter, von Haus zu Haus gegangen, und meinte, das wäre doch was für dich. Nachdem ich es mir dann angeschaut hatte, bin ich auch dabei geblieben.

Warum sind Sie denn dabei geblieben?

Wir waren zu der Zeit in unserer Altersgruppe eine Clique, in der alle zur Feuerwehr gegangen sind, es haben alle mitgemacht und das hat dann einfach Spaß gemacht. Der Zusammenhalt, die Technik, das Miteinander und dass man halt einfach was bewegt - eigentlich sind das nach wie vor die Gründe.

Wie sehen die ersten Jahre bei der Feuerwehr aus?

Erst mal lernt man das Grundhandwerkszeug, die Grundbegriffe, was im Auto alles drinnen ist. Das dauert zwei Jahre, dann hat man mal die Grundausbildung, bis man dann 18 ist und normal mit ausrückt. Auslernen tut man bei der Feuerwehr nie, von da an bildet man sich stetig weiter, zum Beispiel durch einen Atemschutzkurs oder einen Gruppenführerlehrgang, wie ich ihn gemacht habe. Anschließend bin ich in Egling als Gruppenführer mitgefahren. Nachdem dann der damalige Kommandant gesagt hat, er hört auf, habe ich das Amt als Kommandant übernommen und für 18 Jahre gemacht. Als Kommandant ist man zuständig für den Unterhalt seiner Feuerwehr.

Können Sie sich noch an ihren ersten Einsatz erinnern?

Ja, das war ein Verkehrsunfall, eigentlich ein schwerer. Da sind zwei Damen im Wald gegen einen Baum gefahren. Manche Momente merkt man sich einfach.

Sie sind seit 34 Jahren bei der Feuerwehr. Gibt es Dinge, die man vor 30 Jahren noch ganz anders bewältigt hat?

Man muss sich natürlich den Herausforderungen der neuen Technik stellen. Die Arbeit ist vielfältiger geworden, man geht noch behutsamer mit der Rettung um. Es wird wirklich, in der Absprache mit dem Notarzt, auf eine sehr behutsame Rettung aus den Fahrzeugen geachtet. Das beobachtet man auch bei Bränden, man geht teilweise behutsamer mit dem Löschwasser um, sodass man Folgeschäden minimiert. Es zeigt sich schon ein Wandel. Man muss sich immer fortbilden und weiterbilden.

Haben sich auch die Art der Einsätze verändert?

Es ist schon zu beobachten, dass die unwetterbedingten Katastrophen - also Starkregen, Hochwasser, Schneekatastrophen - immer häufiger werden. Unser Landkreis ist der Landkreis mit den häufigsten Katastrophenfällen. Es gab schon aufgrund von Hochwasser Katastrophenalarm, dann die Schneekatastrophe Anfang 2019 oder Waldbrände aufgrund von Trockenheit. Das tritt tatsächlich vermehrt auf.

Wie ging es für Sie nach 18 Jahren als Kommandant weiter?

Danach war ich in der Kreisbrandinspektion für zwölf Jahre als Kreisbrandmeister tätig. Da ist man zuständig für sieben Feuerwehren, ich war in Egling. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist in zwei Teile geteilt, Inspektionsbereich Nord und Inspektionsbereich Süd. Im gesamten Inspektionsbereich gibt es elf Kreisbrandmeister. Vor anderthalb Jahren, am 7. Januar, hat der damalige Kreisbrandinspektor aufgehört. Es gibt zwei Inspektoren im Landkreis, einer ist für den Nordlandkreis zuständig, einer für den Südteil. Ich habe dann das Amt des Kreisbrandinspektors Nord übernommen.

Noch mal ein Amt zurück: Was macht man als Kreisbrandmeister?

Der Kreisbrandmeister ist für die Zusammenarbeit der sieben Feuerwehren in seinem Bereich zuständig. Er ist das Bindeglied zwischen der Inspektion und den Feuerwehren. Bei größeren Einsätzen übernimmt er die Einsatzleitung. Das ist immer abgestuft, der Ortskommandant ist eigentlich grundsätzlich der Einsatzleiter. Aber wenn der Einsatz mal eine bestimmte Größe hat, wenn mehrere Feuerwehren zusammenarbeiten müssen, dann übernimmt der Kreisbrandmeister als Einsatzleitung den Einsatz.

Nach dem Kreisbrandmeister wurden sie Inspektor, danach Kreisbrandrat. Wie lief das ab?

Einer der beiden Inspektoren ist gleichzeitig der Vertreter des Kreisbrandrats. Nachdem der damalige Kreisbrandrat Ende April sein Amt niedergelegt hat, habe ich seine Amtsgeschäfte als ständiger Vertreter übernommen bis Neuwahlen anstanden. In dieser Zeit hatte ich den kompletten Einblick in die Arbeit und konnte sehen was da eigentlich alles dranhängt. Das harmonische Miteinander, auch die Unterstützung von allen Behörden, hat mich dazu bewogen, mich für das Amt des Kreisbrandrates bereitzustellen.

Sie sind gelernter Schreiner und hatten auch eine eigene Schreinerei. Warum haben sie die aufgegeben?

In den drei Monaten, in denen ich das Amt des Kreisbrandrates übergangsmäßig übernommen hatte, habe ich gemerkt, dass alles drei nicht funktioniert. Zum Arbeiten in der Schreinerei bin ich an zwei Tagen in der Woche gekommen, der Rest und das Wochenende war dann für die anderen Tätigkeiten. Da musste ich einfach sagen entweder oder. Da ich aber eine Einzelfirma hatte ohne Angestellte, war das jetzt auch nicht so das Problem.

Sie haben schon mehrmals den Zusammenhalt in der Feuerwehr erwähnt. War das der Grund, warum Sie immer auch noch das nächste Amt übernommen haben?

Genau. Zu der Zeit, als ich in Egling Kommandant war: Was man da alles geschaffen hat, ist unglaublich. Wir haben damals unter anderem ein neues Gerätehaus gebaut. Das geschah in kompletter Eigenleistung, da haben wirklich alle Mitglieder sehr viele Stunden aufgeopfert. Was man da erlebt und dieses Miteinander - das ist bei der Feuerwehr schon einmalig, da geht es nicht um Kommerz oder Bezahlung. Das einzig gemeinsame Ziel ist das Helfen.

Der Kreisbrandrat ist ein Ehrenamt, oder?

Ja, der Kreisbrandrat ist nach wie vor ehrenamtlich und fest angestellt bin ich zusätzlich im Landratsamt bei der Brandschutzdienstelle. Da fällt alles drunter wie Stellungnahmen fürs Bauamt oder für Brandschutzplaner.

Stichwort Ehrenamt: Was sehen Sie als persönliche Bezahlung in ihrem Amt?

In Egling bin ich 20 Jahre First Responder mitgefahren, da gab es beispielsweise einen Moment, wo ein Herr bei mir in den Hof gefahren ist und sagte: "Vielen Dank noch mal, dass sie mich ins Leben zurückgeholt haben." Das sind Momente voller Dankbarkeit, da braucht man keine Bezahlung.

Kreisbrandrat und die Stelle im Landratsamt: Kommen diese beiden Stellen im Doppelpack?

Früher hat der Kreisbrandrat diese Aufgaben mit übernommen, man kann das aber auch delegieren an die Brandschutzdienststelle, das ist mein Job beim Landratsamt. Über die Jahre haben die Aufgaben aber so ein Volumen angenommen, dass das alles im Ehrenamt nicht mehr zu bewerkstelligen war. Darum hat man das abgespalten, jetzt werden die Aufgaben der Brandschutzdienststelle auch dort separat bearbeitet.

Seit wann sind Sie fest beim Landratsamt?

Seit 1. August. Das war der offizielle Amtsantritt als Kreisbrandrat und bei der Brandschutzdienststelle. Mit beiden Ämtern zusammen, sind meine Aufgaben sehr vielfältig: Man ist unterwegs zur Abnahme oder Beratung auf den Baustellen, beim Bauamt oder besucht Schulungen und Tagungen. Der Kreisbrandrat ist zuständig für die Beratung der Feuerwehren, des Landratsamtes, der Gemeinden oder auch für das ganze Thema Ausbildung. Beides zusammen macht sehr viel Spaß.

Fahren Sie derzeit auch noch auf Einsätze?

Ja, das ist genau festgelegt, bei welchem Stichwort wer wann fährt - je nachdem was an der Einsatzstelle gebraucht wird. Bei größeren Sachen, wo viele Feuerwehren zusammenarbeiten oder auch verschiedene Organisationen, wird der Kreisbrandrat mit alarmiert und kann dann die Einsatzleitung übernehmen, wenn es notwendig ist.

Sie wurden für sechs Jahre zum Kreisbrandrat gewählt, was haben Sie sich vorgenommen?

Wir haben jetzt schon einiges angepackt. Das ganze Alarmierungskonzept wurde bereits überarbeitet. Gerade schauen wir, dass wir die Lehrgänge für die Ausbildung wieder hochfahren können. Die haben dieses Jahr gelitten. Wir haben ein sehr gutes Ausbildungskonzept erstellt, auch ein neues Führungskonzept. Bei beidem schauen wir, dass wir immer an die Erfahrungen der vergangenen Jahre angepasst sind und überarbeiten beides regelmäßig. Dafür wird in der Inspektion zusammengearbeitet, für Projekte Arbeitskreise gebildet und dort fertiggemacht und beschlossen. Da sind wir momentan viel beschäftigt.

Das klingt nach ziemlich viel Arbeit. Wie sieht denn so ein ganz normaler Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

Im Normalfall fahre ich jeden Morgen gegen sieben Uhr Richtung Landratsamt Bad Tölz in mein Büro. Ein paarmal in der Woche habe ich Termine, bei denen ich im Landkreis Brandmeldeanlagen abnehme oder Dinge begutachte, sonst bin ich in der Regel bis abends im Landratsamt. Sonst finden in der Woche noch diverse Abendtermine statt, bei denen es um Besprechungen oder Sitzungen geht, am Wochenende oft Fahrzeugweihen oder Versammlungen. Und hin und wieder kommt ein Einsatz dazwischen.

Was sagt Ihre Familie zum neuen Amt?

Die steht voll dahinter. Meine Frau hat mich als Feuerwehrler kennengelernt, ist bei jedem Schritt mitgegangen. Das klappt wunderbar. Mein Sohn ist mittlerweile auch bei der Feuerwehr dabei und macht da seinen Job. Die Familie muss immer mitgehen und dahinterstehen, das ist das A und O.

Welche persönlichen Qualifikationen braucht man für das Amt des Kreisbrandrates?

Ich denke es ist wichtig, dass man anderen bei Problemen zuhören kann, sich in die Belange anderer reinversetzen kann. Menschenkenntnis und Augenmaß sowie gesunder Menschenverstand, Hintergrundwissen und regelmäßige Fortbildungen sind nötig, um bei Einsätzen schnelle Entscheidungen treffen zu können. Man wird es nie schaffen, es allen Recht zu machen, das kann keiner.

Worauf freuen Sie sich in den nächsten sechs Jahren?

Vor allem auf die Projekte, von denen ich schon erzählt habe, die wir in der jüngsten Vergangenheit so angestoßen haben. Bevor wir anfingen, haben wir uns eine To-do-Liste mit unseren Zielen für das nächste Jahr aufgestellt, die wir auf unserer monatlichen Sitzung der Inspektion überprüfen. Es ist toll zu sehen, wie immer wieder ein Haken gesetzt werden kann. Ich denke, wenn wir so weitermachen, funktioniert alles ganz gut.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2020
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