Süddeutsche Zeitung

Nahversorgung in Geretsried:Shopping-Quiz bei Schmuddelwetter

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Die Grünen befragen die Bewohner des Geretsrieder Stadtteils Stein, was nach der Schließung des Pennys geschehen soll

Von Felicitas Amler, Geretsried

Es hat schon etwas Symbolisches: Am Beginn des Steiner Rings, gegenüber dem Penny-Markt, steht eines der bekannten apfelgrünen Stadtwerbetransparente: "Jetzt Staub und Lärm. Bald Shoppingtour. Die Neue Mitte kommt". Absurd. Unter Staub und Lärm leiden die Bewohner des südlichsten Geretsrieder Stadtteils Stein gar nicht; hier baut ja kein Großinvestor raumgreifend für den Einzelhandel. Dafür haben die Steiner aber auch keine Aussicht auf eine "Shoppingtour". Im Gegenteil. Während am anderen Ende der Stadt, am Karl-Lederer-Platz, gerade ein riesiger Edeka-Markt eröffnet hat, dem wenige Schritte entfernt ein Aldi folgen soll, wird Stein bald gar keinen Nahversorger mehr haben. Penny schließt im neuen Jahr. Ein gleichwertiger Nachfolger im Gebäude, das der Baugenossenschaft Geretsried gehört, ist nicht in Sicht.

Etwa 2400 Menschen leben laut Rathausstatistik in diesem Stadtteil. Ein Bäcker ist noch da, eine Schnellpizzeria, ein Lotto/Toto-Laden, eine Apotheke immerhin. Und im Quartierstreff bemühen sich Mitarbeiterinnen des Trägervereins Jugend- und Sozialarbeit und engagierte Stadtteilbewohner redlich, das Motto "Wir sind Stein" mit Leben zu füllen. Die Stadt plant ein Bürger- und Jugendhaus, versucht mit dem Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt" Strukturen in jenem Stadtteil zu verbessern, der bei der vorigen Bundestagswahl die absolute AfD-Hochburg war. Jeder Vierte hat dort die extremen Rechtspopulisten gewählt.

Dorfladen oder Discounter?

Es war schon kein gutes Zeichen, dass die Sparkasse heuer ihre Räume am Steiner Ring geschlossen hat und den Kunden seither nur noch Automaten bietet. Jetzt also Penny. Was tun? Die Grünen wollen es wissen. Von den Bürgern.

Bei scheußlichem Schmuddelwetter hat der Geretsrieder Grünen-Ortsverband am Freitagvormittag um zehn einen Infostand vor dem Quartierstreff aufgebaut. Direkt vor den Penny durften die Leute um Bürgermeisterkandidatin Martina Raschke nicht - Privatgrund. Also stehen sie schräg gegenüber, um wenigstens ab und zu eine Penny-Kundin, einen Passanten mit ihrem vorbereiteten Fragenblatt zu konfrontieren: "Ich wünsche mir im Penny", steht darüber, und es folgen fünf Ankreuzvarianten, von "Discounter", über "Markt" und "Dorfladen" bis zu "gar nichts" und "Sonstiges".

Der eine oder die andere antwortet im Vorbeieilen, es werde doch erzählt, der Rewe aus der Egerlandstraße ziehe in die Penny-Räume. Gerüchte. Ein zerzauster Kerl, der zwischendurch ungeniert immer wieder den Flachmann an den Mund setzt, sagt, er habe ja kein Problem, besitze schließlich ein Fahrrad, um anderswo einzukaufen: "Aber die oidn Leit, wos soin denn de macha?" Eine Russlanddeutsche, seit 22 Jahren hier, erklärt in immer noch gebrochenem Deutsch, es sei "eine Katastrophe", dass der Penny schließe. Ein Dorfladen als Alternative? Oh, nein. Lieber ein Discounter. Wer hätte das gedacht, in einem Stadtteil, in dem überproportional viele Menschen leben, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Der Grünen-Ortsvorsitzende Michael Kling nimmt's genauer: Von 39, die geantwortet hätten, so listet er am Ende auf, wollten 26 wieder einen Discounter, sieben einen Lebensmittelmarkt, zwei einen Dorfladen, einer gar nichts, und je einmal wurde ein Drogeriemarkt, ein Wienerwald und eine Spielhalle genannt. Und jetzt? Auf zur Shoppingtour. In einem anderen Stadtteil.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2019
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