Süddeutsche Zeitung

Mobil in Geretsried:Wir müssen leider draußen bleiben

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Der Erfolg des Geretsrieder Stadtbusses ist zugleich auch sein Problem. In den Bussen sind nämlich maximal zwei Rollstühle oder Kinderwagen gleichzeitig erlaubt - das führt zu Konflikten

Von Florian Zick, Geretsried

Eine Frau mit Rollator ist schon drin, dazu jemand mit einem gut gefüllten Einkaufstrolley. Und jetzt? Jetzt kommt auch noch eine Mutter mit Kinderwagen angehetzt und drängt in den Bus. Drinnen ist es inzwischen ganz schön eng geworden, aber der Fahrer bleibt entspannt. Er wartet, bis sich die Fahrgäste sortiert haben, dann schließt er die Tür - Abfahrt.

Szenen wie die an der Haltestelle Fasanenweg gibt es auf der Route des Geretsrieder Stadtbusses regelmäßig. Die MVV-Linie 310 verbindet innerhalb der Stadt wichtige Punkte wie das Schulzentrum, den Waldfriedhof oder das Isarau-Stadion miteinander. Vor allem im Innenstadtbereich nutzen deshalb viele Fahrgäste das Angebot. Doch der Erfolg des Busses ist zugleich auch sein Problem. Denn der sogenannte Sondernutzungsbereich an der hinteren Einstiegstür ist eigentlich nur für zwei Fahrgäste gedacht. Für einen Rollstuhlfahrer und eine Mutter mit Kinderwagen zum Beispiel - nie aber für drei Personen mit größerem Platzbedarf. Eine Regelung, die immer wieder Ärger mit sich bringt.

Karin-Edda Gschwendtner ist viel mit dem Stadtbus unterwegs. Die 83-Jährige aus dem Blumenviertel von Geretsried ist auf den Rollator angewiesen und nutzt die Linie 310 deshalb regelmäßig für Fahrten zum Friedhof, zum Einkaufen oder zum Arzt. Sie kennt die Fahrer alle ziemlich genau, es sind ja nur zwei Busse, die im Halbstundentakt durch die Stadt pendeln. "Einer war sehr boshaft", sagt Gschwendtner, der werde aber mittlerweile auf einer anderen Linie eingesetzt.

Mit boshaft meint Gschwendtner im Wesentlichen: Der Fahrer habe niemanden mehr mitgenommen, wenn der Sondernutzungsbereich schon mit zwei Leuten besetzt war. In einem solchen Fall muss man mit einem Rollator, einem Kinderwagen oder einem Rollstuhl im Zweifel dann eine halbe Stunde warten, bis der nächste Bus fährt. Vor allem im Winter oder bei sengender Hitze im Sommer eine ziemlich Zumutung.

Die Regelung mit der Zweifachbelegung sei schwierig, sagt Sabine Gus-Mayer, CSU-Stadträtin und Geretsrieder Seniorenbeauftragte. "Das entspricht nicht mehr dem Bedarf", so Gus-Mayer. Allein im Blumenviertel gebe es viele ältere Menschen mit Rollator. Wenn dort zwei einsteigen, könne auf dem Weg ins Zentrum eigentlich niemand mit Rollstuhl oder Kinderwagen mehr zusteigen. Das sei keine gute Situation. Und auch insgesamt sei der Stadtbus in ihrer Seniorensprechstunde immer wieder Thema. Die Busse senkten nicht ab, blieben zu weit weg vom Bordstein stehen oder seien einfach zu voll - etwa ein Drittel der Anfragen seien genau dieser Art, sagt Gus-Mayer.

Beim Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) kennt man das Problem. "Natürlich bedauern wir jeden dieser Fälle, bei denen ein Fahrgast - warum auch immer - zurückbleibt", erklärt eine Sprecherin. Man sei aber eben auch für die Sicherheit der Fahrgäste verantwortlich. Deshalb gebe es auch die Regel mit den maximal zwei Leuten im Sondernutzungsbereich. Wenn ein Busfahrer dort aber jemand Drittes mitnehmen wolle, könne er das aber trotzdem tun. Es sei letztlich ein Abwägungsfrage, sagt die Sprecherin. Der Busfahrer müsse entscheiden, ob er das höhere Risiko auf sich nehmen wolle.

Für die 83-jährige Karin-Edda Gschwendtner klingt das wenig befriedigend. Sie plädiert für eine Taktverdichtung als Lösung. Am Samstag fährt der Stadtbus nämlich nur bis 16 Uhr, an Sonn- und Feiertagen sogar gar nicht. Zum Geretsrieder Weihnachtsmarkt am zweiten Adventswochenende zum Beispiel: "Da kommen wir gar nicht erst hin", so Gschwendtner.

Die Lokalausgaben der Süddeutschen Zeitung suchen im Oktober gemeinsam mit dem MVV den Busfahrer oder die Busfahrerin des Jahres. Teilnahmecoupons liegen in allen Regionalbussen aus. Ihren Favoriten oder ihre Favoritin können Fahrgäste aber auch per Mail vorschlagen: busfahrer-aktion@mvv-muenchen.de

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Quelle:
SZ vom 25.10.2019
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