Süddeutsche Zeitung

Lernen:Zwischen Büchern und Tablets

Lesezeit: 4 min

Die Digitalisierung bringt viele Möglichkeiten für Schulen im Landkreis und stellt sie vor neue Herausforderungen.

Von Lisa Kuner, Bad Tölz/ Wolfratshausen

Schüler an Tablets, Hausaufgaben per E-Mail und Ergebnisse einfach schnell hochladen: So könnte der Unterricht der Zukunft aussehen. Der Freistaat möchte im Rahmen des Masterplan Bayern Digital II in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden Euro für digitale Bildung in Schulen, Hochschulen und Kultur investieren.

Die Realität ist von Tabletklassen und ähnlichem noch weit entfernt: Die staatliche Realschule in Wolfratshausen teilt sich mit der Nachbarschaft eine 16-Mbit-DSL-Leitung, die Karl-Lederer-Grundschule in Geretsried verfügt nur über einen halben Klassensatz veralteter Laptops und Schüler des Tölzer Gymnasiums zweifeln, ob das bayerische Verbot von Mobiltelefonen noch zeitgemäß ist.

Am Gabriel-von-Seidl Gymnasium in Bad Tölz gehört der Einsatz von digitalen Medien zum Alltag. Das Schulhaus ist mit W-Lan ausgestattet, Schüler können, wenn nötig einen Zugang dazu bekommen. In den höheren Klassen schreiben einige Schüler statt auf Papier auf dem Laptop oder Tablet mit. Im Dezember erhielt der 17-jährige Fabian Sigler für seinen 3D-Kurzfilm, der mit Unterstützung seines Kunstlehrers entstand, beim Crossmedia-Wettbewerb des bayerischen Bildungsministeriums den ersten Preis.

Informatik ist ein Pflichtfach, die Schule ist Medienreferenzschule, man kann in einem Medienkonzept nachlesen, welche Kompetenzen Schüler in welcher Jahrgangsstufe fächerübergreifend erlangen sollen. Trotzdem stellt die Digitalisierung das Gymnasium und auch alle anderen Schulen vor Herausforderungen.

Internet

Grundlage für sinnvolles Arbeiten mit digitalen Medien ist ein zuverlässig funktionierendes Internet. Am Gabriel-von-Seidl-Gymnasium in Tölz klappt das gut. Das W-Lan funktioniert, Schüler können sich, mit Zustimmung von Lehrkräften, auch mit eigenen Geräten einloggen. An der Realschule in Wolfratshausen sieht es da schon anders aus. Systembetreuerin Claudia Burkhardt erklärt, es gebe noch einige "weiße Flecken" und ein grundlegendes Problem sei die Geschwindigkeit des Internets. Bisher verfügt die Schule nur über eine 16-Mbit-DSL-Leitung, die sie auch noch mit der Nachbarschaft teilen muss. Für schnelleres Internet müsste die Schule monatlich etwa 150 Euro mehr bezahlen. Burkhardt hofft hier auf finanzielle Unterstützung.

Plattformen und Lernprogramme

Ein Baustein, der Schulen Vorteile durch Digitalisierung bringen soll, ist das Internetportal "mebis" in dem Lehrer auf rechtlich sicherem Boden Lehrmaterial austauschen können. Im Gymnasium in Tölz wird es für Sporttests genutzt. Brigitte Leick, Rektorin der Karl-Lederer-Grundschule in Geretsried, sieht da noch viel Luft nach oben. Die Anmeldung im Portal für Schulen sei zu kompliziert und bisher stünden dort auch noch zu wenige Materialien zur Verfügung. Sinnvoll findet sie hingegen, die Lesefördersoftware Anatolin. Hier sollen die Kinder Bücher lesen und können am Ende Quizfragen beantworten. Der Lehrer sieht, wie oft die Schüler das Programm nutzen und kann ihren Fortschritt verfolgen. "Das hat auch eine sehr motivierende Wirkung", sagt Jakob Dondl, Schulleiter der Grundschule in Kochel am See. Praktisch sei auch, dass die Landesmedienstelle die meisten Materialien inzwischen digital zur Verfügung stelle und auf diese Art lästige Wege entfielen.

Technische Ausstattung

Beamer und Dokumentenkameras, die zum Beispiel Arbeitsblätter direkt an die Wand werfen können, lassen sich sinnvoll im Unterricht einsetzten. Die Grundschule in Kochel am See konnte in diesem Jahr alle Klassenzimmer damit ausstatten, außerdem wurde ein Klassensatz Chromebooks (spezielle Notebooks) angeschafft, um den Grundschülern das Arbeiten am Computer zu ermöglichen. Schulleiter Jakob Dondl hält das für eine gute Basis und vor allem die Dokumentenkameras würden auch mehrmals täglich, zum Beispiel bei der Kontrolle von Hausaufgaben, eingesetzt. An der Geretsrieder Karl-Lederer-Grundschule träumt man davon noch. Nicht alle Klassenzimmer sind mit Beamer ausgestattet, statt nagelneuen Chromebooks gibt es bloß einen halben Klassensatz in die Jahre gekommener Laptops. Rektorin Leick würde sich außerdem noch über ein paar Tablets zur gezielteren Förderung von Schülern freuen.

Mobiltelefone

Der Umgang mit "digitalen Speichermedien" ist in Bayern gesetzlich geregelt und zwar ziemlich eindeutig: Außer bei ausdrücklicher Erlaubnis durch Lehrer sind sie verboten. Trotz dieses Verbots sind die Schulen immer wieder mit dem Thema konfrontiert, auf positive und auf negative Weise. Am Tölzer Gymnasium kommt es schon vor, dass sich Lehrer in Chat-Gruppen mit den Schülern, über Schulaufgaben austauschen. Sowohl Leick als auch die Rektorin der Wolfratshauser Realschule Antonie Bálint-Meikis bekommen aber auch die negativen Folgen dieser Art von Kommunikation in der Form von Cybermobbing mit. Bálint-Meikis findet wichtig, dass Schule eine geschützte Umgebung darstellt und das ginge bloß durch Reglementierung. Außerdem müssten auch Eltern mit eingebunden werden, sie seien oft nicht auf dem Stand der Schüler. Für viele Jugendliche ist das Handyverbot nicht mehr zeitgemäß. "Digitale Medien werden zu negativ dargestellt", meint Fabian Sigler. Die Gefahr gehe vom Anwender aus. Besser als ein Handyverbot wäre es, den gezielten Umgang damit zu lernen.

Medienkompetenz

Allein die Existenz von technischer Ausstattung und digitalen Angeboten macht noch keinen sinnvollen Einsatz aus. Auf der einen Seite muss Schülern eine verantwortungsvolle Nutzung beigebracht werden, auf der anderen müssen Lehrer sich immer wieder mit dem Stand der Dinge auseinandersetzten. "Unsere Kinder nutzen so viele digitale Medien, die Lehrer wissen gar nicht, was da abgeht", sagt Leick. Natürlich müssten Schüler lernen mit Digitalem zurecht zu kommen, meint Bálint-Meikis. Sie betont auch, dass Schulen nie so schnell sein könnten, wie die technische Entwicklung und hält es auch für wichtig zu vermitteln, wie die Schüler der digitalen Welt unabhängig und kritisch gegenüber stehen können. Dondl meint dazu: "Im Einzelfall können wir nicht schnell genug sein. Aber wichtig ist nicht immer nur der detaillierte Blick. Was wir leisten können, ist insgesamt ein kritisches Bewusstsein zu schaffen." Er sieht dabei nicht nur Schulen in der Pflicht: Kinder tauchten immer mehr in die digitale Welt ein und es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie dabei unterstützend zu begleiten.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2018
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