Süddeutsche Zeitung

Lenggrieser Politik:Weindl kündigt Abschied an

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Der Lenggrieser Bürgermeister erklärt auf der Bürgerversammlung, dass er nach 24 Amtsjahren bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr antreten wird. Die CSU muss nun einen Kandidaten finden.

Von Petra Schneider, Lenggries

Die Bürgerversammlung in Lenggries endete am Freitag mit einem Knall: Bürgermeister Werner Weindl (CSU) wird bei der Kommunalwahl im März 2020 nicht mehr antreten. Auf ärztlichen Rat und nach reiflicher Überlegung habe er sich entschieden, nach 24 Jahren im Amt nicht mehr zu kandidieren, teilte Weindl den rund 120 Bürgern mit. "Ich habe dieser Aufgabe alles untergeordnet und mache bis April 2020 mit ganzer Kraft weiter. Danach haben meine Gesundheit und meine Familie Vorrang." Mit vier Amtsperioden ist Weindl der am längsten amtierende Bürgermeister, den es in Lenggries bisher gab. Der richtige Zeitpunkt zum Aufhören sei nicht leicht zu finden, sagte Weindl, der im kommenden Jahr 60 wird. Die Fülle an Aufgaben und Themen machten das Bürgermeisteramt interessant, "aber es geht auch an die Substanz."

Bürger und Parteifreunde wurden von der Nachricht überrascht, manche wirkten betroffen. Er habe erst vor ein paar Tagen von Weindls Entscheidung erfahren, sagte sein Stellvertreter Franz Schöttl (CSU). "Ich muss das erst mal verdauen". Auch für CSU-Ortsvorsitzende Christine Rinner kommt die Nachricht "ganz überraschend". Die CSU müsse sich jetzt erst einmal sortieren und Gedanken über einen Bürgermeisterkandidaten machen. "Viel Zeit haben wir nicht", sagte Rinner.

In seinem Rechenschaftsbericht hatte Weindl zuvor über die vielen Großprojekte der Gemeinde informiert: Das teuerste ist der Neubau des Pflegeheims. Für 100 Pflegeplätze rechnet die Gemeinde mit Kosten von 15 Millionen Euro, die durch Kredite finanziert werden müssen und sich durch Mieteinnahmen refinanzieren. "Lenggries wird durch das Pflegeheim über Jahrzehnte hoch verschuldet sein", kündigte Weindl an. Man habe sich dennoch für die Investition entschieden, weil man ein Pflegeheim behalten und als Gemeinde weiterhin Einfluss haben wolle.

Der Nachfrage nach bezahlbarem Wohneigentum kann Lenggries auf zwei Grundstücken Rechnung tragen: Mit dem fertig gestellten Hochwasserschutz am Lahnerbach ist die Bebauung eines rund 2800 Quadratmeter großen Grundstücks an der Enzianstraße möglich. Zudem konnte die Gemeinde Ende 2018 ein 5000 Quadratmeter großes Grundstück an der Waxensteinstraße kaufen. Die Parzellen sollen im Einheimischenmodell vergeben werden. Einen Kriterienkatalog hat die Kommune im vorigen Jahr festgelegt.

In der anschließenden Diskussion gab es viele Wortmeldungen; vor allem die Verkehrssituation im Ort und der Hochwasserschutz am Dorfbach beschäftigen die Bürger. Sabine Gerg befürchtet, dass mit dem neuen Kindergarten im ehemaligen Gasthof Post der Verkehr an der Marktstraße zunimmt. Im Dorf gebe es zu wenig Gehwege, und die Situation am Schulberg sei gefährlich. 25 Ladenbesitzer und Anwohner hätten jüngst Vorschläge erarbeitet: Tempo-30-Zone für Bahnhofs- und Marktstraße, Querungshilfen und Geschwindigkeitskontrollen. 30er-Zonen müssten mit Polizei und Landratsamt abgeklärt werden, sagte Weindl, Tempokontrollen gebe es bereits. Für Querungshilfen sei eine Breite von 2,50 Meter nötig, ob die in Bahnhofs- und Marktstraße zur Verfügung stehe, werde man prüfen.

Viele Eltern wünschten sich, dass ihre Kinder mit dem Schulbus fahren könnten, sagte Sabine Mederer. Das sei aber nur möglich, wenn der Schulweg länger als zwei Kilometer sei. "Wenn es mehr Buskinder gäbe, würde der Individualverkehr weniger", sagte sie. Laut Weindl ist die Zwei-Kilometer-Grenze gesetzlich vorgegeben. Und für alle Kinder im Gemeindegebiet reichten die Busse nicht aus. Empfindlich reagierte er auf den Vorwurf, die Gemeinde leiste zu wenig für die Schulwegsicherheit. Die sei ihm ein großes Anliegen. Weindl verwies auf die Verantwortung der Eltern und kritisierte Mütter, die "oft am schnellsten an haltenden Bussen vorbeifahren" und auch für kürzeste Strecken das Auto nutzten.

Kritik gab es an dem vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim (WWA) geplanten Hochwasserschutz am Dorfbach - ein "Mammutbauwerk", wie ein Bürger befand. Auch Weindl lehnt die aktuellen Planungen ab. Die Variante mit Überleitung von Reiter-, und Halsbach zum Weiherbach und die Ableitung in die Isar habe der Gemeinderat zwar vor einigen Jahren gebilligt, allerdings war damals von sechs Millionen Euro die Rede, wovon die Gemeinde die Hälfte übernehmen muss. Nach aktuellem Stand haben sich die Kosten verdoppelt. Weindl will das nicht hinnehmen. "Die bisher verfolgte Variante muss man zur Seite legen und ganz neu nachdenken".

Das von Sabine Gerg konstatierte "Ladensterben" am Karl-Pfund-Weg, wollte der Bürgermeister nicht bestätigen. "Die Einzelhandelsstruktur, die wir in Lenggries haben, ist fast einzigartig". Vieles werde schlecht geredet. Tatsächlich stünden von 70 Ladenlokalen im Zentrum zurzeit nur fünf leer.

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SZ vom 25.03.2019
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